Zeitgenössische Radiodokumente über die Linse-Entführung
In einem »Archivradiogespräch« über den Fall der Verschleppung Walter Linses kommt der Jounralist Wolfgang Bauernfeind zu Wort. Bauernfeind war beim Sender Freies Berlin beschäftigt, wo er zuständig für das Ressort Feature war, und später beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Er hat letztes Jahr das Buch »Menschenraub im Kalten Krieg« veröffentlicht, in dem neben anderen natürlich auch der Fall Linse behandelt wird.
Besonders attraktiv ist die 27-minütige Sendung, die über die Mediathek des SWR abgerufen werden kann, weil in ihr mehrere Tondokumente präsentiert werden. Man bekommt Auszüge aus den Reden von Ernst Reuter, Franz Amrehn und Linses Vorgesetzten »Dr. Theo Friedenau« (eigentlich: Horst Erdmann) bei der Protestkundgebung in West-Berlin zu hören, die zwei Tage nach der Entführung abgehalten wurde. Außerdem hört man einen Radiomoderator, der die Szene zu beschreiben versucht, als die Reden wegen der kommunistischen Störer unterbrochen werden müssen. Weiterhin kommen drei Augenzeugen der Entführung zu Wort, es gibt Auszüge aus einer Reportage über die Wasserpolizei, die auf der Havel Schwimmer und Ruderer warnt, sich der schwer erkennbaren Zonengrenze zu nähern. Und schließlich kann man einen Teil des Verhörs von Kurt Knobloch durch den Richter hören, als der 1954 wegen seiner Beteiligung an der Verschleppung Linses vor Gericht stand.
Es lohnt sich, die Sendung anzuhören, denn man bekommt einen guten Eindruck von der Atmosphäre der Zeit und erhält darüber hinaus interessante Informationen über das Verbrechen an Linse. Die West-Berliner waren in Sorge, selber Opfer eines Menschenraubes zu werden, wie der Bauernfeind erläutert. Heute werden in Berlin Menschen nicht mehr von einem Sektor in den anderen entführt, aber in anderen Teilen der Welt ist das Problem des Menschenraubes weiterhin aktuell.
Foto: Ditlev Petersen / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0