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Der Unrast Verlag macht seit über 30 Jahren Bücher für eine befreite und solidarische Gesellschaft. Bei uns entscheiden alle mit, denn wir sind ein Kollektivbetrieb ohne Chef*in. Jetzt wird es aufgrund besonderer Umstände eng. Die Preise für fast alles steigen massiv, aber unsere Umsätze tun das nicht. Wir bitten daher um eure Unterstützung, wir benötigen mindestens 30.000 Euro, um die tollen Bücher des kommenden Herbstprogramms finanzieren zu können.
Funding period
7/15/22 - 9/4/22
Realisation
30.09.22 - Druck der Novitäten
Website & Social Media
Minimum amount (Start level): 10,000 €

Wir veröffentlichen unser Herbstprogramm mit 17 neuen Büchern. Es erscheinen Sachbücher zu Themen wie Rassismus, Feminismus, Anarchismus und Klimawandel.

City
Münster
Category
Education
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26.07.2022

Feministischer Herbst: Einige Bemerkungen von Collectivista Marie

Unrast Verlag - Thomas Billstein
Unrast Verlag - Thomas Billstein7 min Lesezeit

Liebe Freund*innen des Unrast Verlags,

mit diesem ersten Brief, wollen wir beginnen, euch einen exklusiven Einblick in unsere Arbeit zu geben.

Zum Herbst 2022 arbeiten unsere sechs Collectivst@s an 19 Neuerscheinungen und einigen Nachzüglern. Welche Gedanken standen hinter dem Programm, für das wir um eure Unterstützung bitten? Welche verlegerischen und politischen Überlegungen haben uns geleitet? Mit ein paar Antworten beginnt heute Marie:

Das Schöne am Verlegen, insbesondere in einem politischen Kollektiv wie Unrast, ist es, den eigenen Neigungen und Interessen nachgehen zu können. Als die Bewegung zum feministischen Streik auch in Deutschland aufkam, traf dies auf mein seit einigen Jahren verstärktes Interesse am materialistischen Feminismus, sodass ich mit Friederike Beier zusammen beschloss, einige Grundlagentexte vor allem aus den 1970er-Jahren zu veröffentlichen, die sich mit der Frage der Bezahlung von Hausarbeit beschäftigen. Ich freue mich sehr, in diesem Rahmen beispielsweise politisch wie aktivistisch hochspannende Aufsätze von Silvia Federici und Mariarosa Dalla Costa verlegt zu haben. Im Herbst 2022 werden wir dazu das vorläufig letzte Buch (aber wer weiß?!) veröffentlichen, Louise Toupin: »Lohn für Hausarbeit«. Die Autorin gibt darin einen Überblick über die Forderungen und Aktionen der »Lohn für Hausarbeit«-Bewegung, die in den 70er-Jahren vor allem in Italien, Großbritannien, den USA und Kanada, aber auch in der Schweiz und in Deutschland kämpfte und breit diskutiert wurde. Ich bin beeindruckt, wie Toupin dank ihrer jahrelangen Forschung in Archiven und Interviews mit den zentralsten Persönlichkeiten ein umfassendes Bild einer Bewegung vermittelt, die erstaunlich vielfältig und anschlussfähig war (so gab es etwa eigene »Lohn für Hausarbeit«-Untergruppen von Sexarbeiterinnen, Lesben oder Schwarzen Frauen). Zugleich wird deutlich, vor welchen Herausforderungen die Vermittlung einer Forderung nach der Bezahlung von Hausarbeit stand – in einer Zeit, in der Frauen vor allem um Zugang zum Arbeitsmarkt und die dafür notwendige Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen kämpften. Spannend wäre die Diskussion, ob heute, da es sehr viel selbstverständlicher ist, dass Frauen einer Lohnarbeit nachgehen, und gleichzeitig die fehlende finanzielle Anerkennung von Care-Arbeiten sowohl in Form vom feministischen Streik als auch in den Kämpfen von Angestellten in Pflegeberufen problematisiert wird, die Debatte um eine Bezahlung von Care-Arbeit nicht mehr Aussicht auf Erfolg hätte und weniger das Missverständnis aufkäme, es ginge darum, Frauen aufs Heim zu verweisen. Ich bin überzeigt, dass die damals geführten Diskussionen und Einsichten dafür fruchtbar sind.

Ein ganz anderer Zugang, der ebenfalls die noch immer vornehmliche Zuständigkeit von Frauen für Reproduktionsarbeiten untersucht, ist die feministische Psychoanalyse. Eher zufällig bin ich durch einen Vortrag von Tove Soiland auf diese in Deutschland äußerst marginalisierte feministische Theorieströmung gestoßen. Sie traf bei mir auf das Gefühl, dass der Verweis auf kapitalistische Zwänge und kulturelle Tradierung nicht ausreicht, um zu verstehen, warum Frauen nach wie vor auf die reproduktive Sphäre verwiesen werden – obwohl doch längst klar ist, dass Frauen alles können. Allerdings hatte ich von den psychoanalytischen Grundlagen von Freud über Lacan und Irigaray keine Ahnung und musste mir dann erst einmal mit ein paar Genoss*innen im Lesekreis die Grundlagen aneignen. Auch wenn wir noch immer nicht das Gefühl haben, alles zu verstehen, hält sich dennoch der Eindruck, dass das, was hier verhandelt wird, Auswirkungen auf eine andere feministische Praxis hätte, die es zu erkunden lohnt. Umso mehr freut es mich, nun, zum diesjährigen 60. Geburtstag Tove Soilands, erstmals eine Sammlung einer Vielzahl ihrer Artikel zum Thema der sexuellen Differenz zu verlegen, herausgegeben von Anna Hartmann (die über die Frage der Sorge geschrieben hat). Darin stellt Soiland dar, wie Sexualität im Sinne der feministischen Psychoanalyse zu verstehen ist. Sie zeigt die Grenzen des sich im Poststrukturalismus verortenden Ansatzes von Judith Butler anhand des unbeantworteten Widerspruchs einer »Gender-Flexibilisierung bei gleichzeitiger Stabilität der Geschlechterordnung« auf. Soiland argumentiert, dass eine Auflösung von Geschlechtsidentitäten einem neuen postödipalen Regime entspricht, das noch lange nicht dazu beiträgt, dass die Geschlechterhierarchie abgeschafft wird und Frauen eine der männlichen Position vergleichbare geschlechtliche Position erhalten (um ein wenig in das psychoanalytische Vokabular einzutauchen). Wie aber kann eine andere Form der Subjektkonstitution aussehen, die beiden Geschlechtern dieselbe (symbolische) Seinsweise ermöglicht (wobei »Geschlecht« hier nicht biologisch verstanden wird)? Und was bedeutet das für feministische Kämpfe wie etwa die feministische Streikbewegung?

Als Verleger*innen folgen wir aber nicht nur unseren eigenen Interessen, wenn es darum geht, neue Buchprojekte oder Übersetzungen auf den Weg zu bringen, sondern uns werden auch eine Vielzahl von Büchern seitens Autor*innen, Herausgeber*innen, Übersetzer*innen oder auch interessierten Leser*innen vorgeschlagen. Es ist nicht nur eine sehr schöne Anerkennung für unsere Arbeit, wenn uns spannende Bücher angeboten werden, die uns brennend interessieren, sondern es trägt auch zur Vielfalt unseres Verlagsprogramm bei. Eine solch beglückende wie programmerweiternde Anfrage kam von der Übersetzerin Birgit Kirberg, die uns den Roman »Andere werden folgen …« von Marina Ginestà anbot. Gleich mehrere Punkte führten dazu, dass wir schnell von diesem packend und anschaulich geschriebenen Roman überzeugt waren, obwohl wir bis auf wenige Ausnahmen keine Belletristik verlegen. Zunächst einmal ist die Autorin eben jene Person, die 1936 auf dem Hotel Colón vor der Plaça de Catalunya in Barcelona mit einem Gewehr auf dem Rücken fotografiert wurde und damit zur Ikone nicht nur der spanischen Revolution, sondern auch des Kampfes für eine befreite Gesellschaft generell wurde. Und diese Frau hat einen politischen Roman geschrieben! Dann spielt der Roman auch noch in Barcelona, was zumindest für mich, die ich ein Jahr lang dort gelebt habe und es zudem immer faszinierend finde, wenn die Geschichte als Schichtung von Zeit an einem uns bekannten Ort hervortritt, ein weiteres wichtiges Argument war. Auch dass es sich um eine Übersetzung aus dem Spanischen, Französischen und Katalanischen handelt, fand ich spannend. Es macht mir Spaß, mit Übersetzer*innen zusammen an einer sprachlich und inhaltlich möglichst gelungenen Übersetzung gerade aus romanischen Sprachen zu knobeln – weshalb ich mich auch glücklich schätze, dass ich etwa die Übersetzung von Vinciane Desprets ebenso philosophischem wie unterhaltsamem und immer wieder ironischem Buch »Was würden Tiere sagen, würden wir die richtigen Fragen stellen?« oder die Übersetzungen der feministischen und witzigen Emma-Comics aus dem Französischen betreuen durfte. In Marina Ginestàs Buch folgen wir dem Protagonisten Miquel durch die Straßen Barcelonas, in denen in den 1920er-Jahren Generalstreiks organisiert werden und die Arbeiter*innenbewegung eben jene (in den Untergrund gezwungene) Organisierungsstrukturen schafft, die zehn Jahre später eine zumindest zeitweise erfolgreiche Umwälzung der Herrschaft und Selbstverwaltung der Produktion ermöglichten. Und eben dies ist das dritte überzeugende Argument für diesen Roman gewesen: Es geht um die Geschichte des Anarchosyndikalismus, um die Selbstorganisierung von Arbeiter*innen und den Kampf für eine Gesellschaft, in der nicht länger einige Wenige von der Ausbeutung der Vielen profitieren. Und das ist es, was alle drei von mir für den Herbst 2022 betreuten Bücher gemein haben – die Suche nach einer gerechten Gesellschaft –, was auch mein zentrales verlegerisches und politisches Anliegen ist.

Solidarische Grüße,
Marie für den Unrast Verlag

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