Ich habe durch meine Krankheit den „Kontakt“ zu meinen Händen verloren, just in dem Moment, als ich mir einen neuen Wasser- und Deckfarbkasten, Tuschepinsel und einen richtig guten Zeichenblock gekauft hatte. Die Farben stehen heute noch unbenutzt im Schrank. Die Krankheit ALS schaltet langsam Muskel für Muskel des Körpers ab, man kann nicht mehr greifen, nicht mehr gehen, nicht mehr sprechen, irgendwann nicht mehr selbstständig atmen. Ich bin nun im sogenannten Locked-in-Stadium, vollständig gelähmt und künstlich beatmet.
Vor einigen Jahren lernte ich den Künstler Adi Hoesle kennen und durch ihn das „brainpainten“. Ich steuere dabei eine Grafiksoftware mit meinen Hirnströmen. Adi Hösle geht es bei seinen Arbeiten und in seinem Ausstellungsvorhaben um grundsätzliche Fragen wie: Was ist Kunst? Ist es die Idee in unseren Köpfen oder das Geschick in unseren Händen? Kann man ein Maler sein, ohne in seinen Händen das Talent eines Malers zu haben? Oder – wie ich – ohne seine Hände überhaupt bewegen zu können?
Er hat für diese Ausstellung vielen berühmten Künstlern, beispielsweise Neo Rauch, den Pinsel aus der Hand genommen und sie brainpainten lassen. Er arbeitet auch mit Patienten wie mir zusammen, die sich nicht mehr bewegen können.
Sicher ist brainpainten eine andere Art des „Malens“ – aber es ist eine Möglichkeit, mich auszudrücken und etwas selbst zu schaffen, kreativ zu sein. Backen, nähen, tanzen – das geht alles nicht mehr, aber Farben und Formen zu etwas Schönem, zu einer künstlerischen Idee zusammenstellen, das funktioniert mit brainpainten.
Es öffnet sich dadurch für mich eine Tür, im Land der Farben und Formen kann ich mich barrierefrei, dimensionslos und grenzenlos dahin bewegen, wohin mich Gefühle und Stimmungen tragen.