Obwohl man meinen könnte, mit einer 22-jährigen Hauptfigur sei das Buch vor allem für junge Erwachsene, junge Frauen im Speziellen, sehe ich die Zielgruppe bei Menschen jeden Alters. Da in dem Buch nicht nur eine, sondern drei Frauen unterschiedlicher Generationen und Sozialisierung zu Wort kommen:
Josy, 22 Jahre alt, ihre Mutter, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen ist und als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern jetzt, 30 Jahre nach der Wende, ihren Platz in der Gesellschaft sucht sowie Doro, die bisexuelle Ex-Freundin von Robert, mit der Josy eine Affäre beginnt.
Der Roman fragt im Kern nach der Bedeutung von Sex und Zärtlichkeit in unserer Gesellschaft – das ist etwas, das in der momentanen Situation mit der Corona-Krise auch bei jedem von uns automatisch passiert. Jetzt, wo wir Abstand voneinander halten müssen, merken wir, wie sehr uns körperliche Nähe und Berührung fehlen. Josy bringt damit stellvertretend – und manchmal etwas überhöht – zum Ausdruck, was wir alle brauchen: Wir sind Menschen, wir sind soziale Wesen. Neben Begegnungen von Angesicht zu Angesicht und einem offenen Ohr, brauchen wir manchmal auch eine Umarmung.
Hinzukommt, dass Jugendliche sich immer früher mit dem eigenen Körper, der einem Ideal entsprechen soll, beschäftigen und mit Sex, der möglichst – immer höher, schneller, weiter – alles andere in den Schatten stellen soll. Josy verkörpert das Gegenteil: Obwohl sie ohne Hemmungen alles und jeden berühren möchte, hinkt sie Gleichaltrigen um einiges hinterher und ist, mehr oder weniger, einsam. Social distancing ist für sie ein Fremdwort – und genau deshalb bleibt sie allein. Paradox.