Didaktische Typografie – Definition in 2 Schritten
1. Didaktische Typografie findet statt in didaktischen Prozessen.
Didaktische Prozesse regen Lernprozesse an und steuern sie. Erfolgreich sind sie, wenn die gewünschte Veränderung erreicht wurde. Dies ist überprüfbar. Ein didaktischer Vorgang ist absichtsvoll und methodisch. Ziel und Etappen sind definiert – Gesamtsituation, Beteiligte und Methoden klassifiziert und in die Planung integriert. Lernprozesse sind Kommunikationsprozesse und somit medienbasiert. Ist Text das Medium, wird die Typografie zum Träger der Didaktik.
2. Didaktische Typografie findet dort statt, wo in didaktischen Prozessen Text eingesetzt wird.
Typografie in didaktischen Prozessen muss nahe den didaktischen Methoden verortet werden. Diese Rolle muss definiert sein, sich vermitteln und sie muss prüfbar sein. Will man Typografie didaktisch nennen, muss man benennen, welche didaktische Aufgabe die Typografie zu leisten hat und wie sie es tut. Die Überprüfung muss möglich sein.
Wie agiert Typografie didaktisch?
Der genaue Zusammenhang zwischen Lernen und didaktischer Typografie ist schwer darzustellen. In der Regel basieren typografische Lösungen auf der Intuition der Typografinnen und Typografen. Diese wird in jahrelanger Praxis entwickelt durch ständige Selbstbeobachtung, der Bereitschaft, der eigenen Lösung zu misstrauen und der daraus resultierenden Sicherheit, jede Lösung ist zu verbessern – immer.
Unterstützung können wissenschaftliche Untersuchungen bieten, die typografische Wirkung überprüfen. Nadolski führt in seinem Aufsatzband zum Symposium von 1982* Untersuchungen an:
- die Fachdefinition des Begriffs Lesbarkeit von Dale, Chall von 1948
- Die Arbeit von Dirk Wendt zu Anmutungsqualitäten von Druckschriften, 1971
- Wirkung von mehrspaltigem Umbruch von Ralf Rehe 1971
- die emotionale Wirkung von Schrift von Albert Kapr 1977
Nadolski schreibt 1984: »Die Ergebnisse der Untersuchungen werden zu zögernd aufgegriffen – Versuche bewußter Einbeziehung bleiben in den Anfängen stecken.« Die Situation heute ist vergleichbar. Nach wie vor gibt es wenig wissenschaftliche Untersuchen, die verwertet werden. Auch lässt sich in wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema nicht immer ausreichend typografischer Sachverstand finden. Es ist an der Zeit, eine Änderung herbeizuführen und eine stärkere Anbindung der Typografie an die Wissenschaften herzustellen, ebenso wie es interessant ist, die Typografie in die Wissenschaften zu bringen.
Ulrike Borinski
(Mitherausgeberin von »Lesbar«)
* Nadolski, D. (Hrsg.). (1984). Didaktische Typografie. Ein Sammelband. Leipzig.