Blumenbeete, Gartenzwerge und Gemeinschaft. Klare Strukturen, strenge Regeln und der Kontrollblick über den Zaun. Es ist ein Idyll mitten in der Stadt und gleichzeitig ein Ort, der ohne Satzung, Vorstand und Inspektion nicht denkbar ist: Der Kleingarten. Filme, Zeitungsartikel und Bücher über Kleingartenkultur in voller Pracht und vorzüglicher Verschrobenheit gibt es zu Hauf.
Auch unsere Herzen schlagen für eine Kleingartensiedlung. Eine grüne Oase wie viele andere in der Stadt, jedoch mit einer Besonderheit. Sie liegt dort, wo der gutbürgerliche Berliner Stadtteil Treptow auf den quirligen, immer wieder in die Schlagzeilen geratenden Bezirk Neukölln trifft. Zwischen 1961 und 1989 verlief genau hier die Berliner Mauer. Die Kleingartensiedlung, einst ein zusammenhängendes Gebiet, wurde geteilt. Dort wo man sich vorher Tipps für die richtige Tomatenzucht gab, liefen ab 1961 Grenzsoldaten Patrouille.
Welcher Grenzgärtner westlich und östlich der Mauer welche Rolle gespielt hat, bleibt unklar. Bekam man im Osten wirklich nur einen Garten im Grenzgebiet, wenn man eine gewisse Systemtreue nachweisen konnte? Hörte der Nachbar mit, wenn man über weniger systemkonforme Wünsche und Träume sprach? Versuchten die Grenzgärtner im Westen wirklich Kontakt zu ihren ostdeutschen Gartenfreunden zu bekommen? Oder wandten sie sich eher ab, vor dem was jenseits des Todesstreifens passierte? 25 Jahre nach dem Mauerfall möchte man meinen, dass diese Fragen längst geklärt sind. Vorurteile, wilde Gerüchte und schmerzhafte Erfahrungen spielen aber noch immer eine Rolle. Es gibt viele, teils konträre Erinnerungen an das Leben in der Kleingartensiedlung vor der Wiedervereinigung.
Zu der alten, nun imaginären, aber schwer überwindbaren Grenze gesellt sich ein neuer – ganz greifbarer Einschnitt: Ein Teil der Siedlung fällt der Verlängerung der viel diskutierten Stadtautobahn A100 zum Opfer. Über den Sinn und Zweck dieser Autobahn gibt es in Berlin ohnehin eine große Debatte. Ungeachtet jeder politischen Himmelsrichtung, mussten viele Pächter ihre Lauben räumen. In der Zeit zwischen der Räumung und dem Abriss der Datschen vor wenigen Monaten hatten sich Flüchtlinge, Obdachlose und Künstler in den verlassenen Gärten einquartiert. Ein Zaun mit viel Stacheldraht wurde gezogen. Er markiert heute nicht nur die Grenze zwischen den verschont gebliebenen Gärten und der Baustelle für die Autobahn, sondern verrät auch viel über neue soziale Abgrenzungen und xenophobe Stereotype.
Angedacht ist eine Dokumentation á 50 Minuten als Kernstück und eine Homepage mit Text-, Audio- und Videoinhalten. Auf einer Facebook-Seite wollen wir zusätzlich über den Produktionsprozess informieren und mit Interessierten über das Projekt diskutieren.
Wir wollen auf die Suche gehen nach alten und neuen Grenzen, aber auch nach möglichen Grenzüberwindungen. Wir begreifen die Kleingartensiedlung auch als Symbol für eine Vergangenheitsbewältigung, die für ganz Deutschland von Bedeutung ist. 25 Jahre nach dem Mauerfall teilen viele Menschen das Land immer noch in Ost und West ein. Das Ostdeutsche arbeitsscheu und rückständig, Westdeutsche hingegen egoistisch und weniger sozial seien, sind Vorurteile, denen man auch heute noch begegnet. Einig Vaterland wird Deutschland oft erst, wenn “das Boot voll ist“ und es um „kriminelle Türken“ oder „rumänische Sozialschmarotzer“ geht. Deshalb wollen wir auch festhalten, wie die Kleingärtner mit Fremdheit umgehen und das Eigene definieren. Was wissen die Menschen wirklich über „die Fremden“? Beginnt die Fremdheit nicht schon hinter dem eigenen Gartenzaun? Wie bilden sich die Menschen hier ihre Meinung?
Im Mittelpunkt des Filmes sollen zwei Protagonisten stehen: Evi, deren Kneipe im ehemaligen Westen der Kleingartensiedlung dem Autobahnbau zum Opfer fiel und die sich im Alter von über 70 Jahren entschied, einfach eine neue Kneipe zu eröffnen. Sie war noch nie im Ostteil der Siedlung. Dazu fehle ihr einfach das Bedürfnis. Ihre neue Kneipe inmitten der Kleingartensiedlung betrachtet sie als Rückzugsgebiet. In Neukölln, der Stadtteil, in dem sie eigentlich wohnt, sei es ihr schon lange viel zu multikulturell geworden. Unser zweiter Protagonist ist Wolfgang. Er ist in der Siedlung Kreuztal im Osten groß geworden und erinnert sich gerne an den Kleingartenstaat im Staat – wie er gerne sagt. Er hat viel zu erzählen über Grenzverletzte, seine Brüder im Westen oder den Blick auf den Todesstreifen aus der Krone seines Birnenbaums. Neben diesen Haupt-Protagonisten haben wir weitere Kleingärtner für unseren Film gewinnen können. Eine türkische Familie zum Beispiel, die heute mit Abgrenzungen konfrontiert ist, welche die lange gefallene Mauer weit in den Hintergrund treten lassen. Und Andy, der kurz vor der Wende aus dem Osten geflohen ist und heute mit seinen Lederhosen und seinem langem Zopf im Westen der Kleingartensiedlung für viel Aufregung sorgt. Oder Ingo, dem erst während eines Verhörs klar wurde, dass sein Gartennachbar bei vielen Gesprächen mitgehört hat.
Weil wir Menschen gefunden haben, die ihr halbes Leben in der Kleingartensiedlung verbracht haben und die über ihr Leben zwischen alten und neuen Grenzen unglaubliche Geschichten zu erzählen haben. Diese Menschen werden alt. Wenn wir den Film jetzt nicht drehen, wird vielleicht niemand mehr ihre Geschichten erfahren.
Um am Ende einen Film zu sehen, der nicht von der Finanzierung durch Produktionsfirmen oder Fernsehsender abhängig ist, der nicht angepasst werden muss an Senderprofile und nicht beschnitten wird durch Vermarktungslogiken, die den Autoren sämtliche Rechte an ihrem Film nehmen.
Wir können auf ein professionelles Team mit professioneller Technik zurückgreifen, das einen großen Teil seiner freien Zeit und Ressourcen für das Projekt zur Verfügung stellen wird. Peter Mittwoch ist freier Kameramann und dreht für uns mit seiner eigenen Technik. Maite Bueno, neben Julia Mittwoch Autorin, wird den Film schneiden. Dennoch brauchen wir einen professionellen Cutter, der den Feinschliff des Films übernimmt. Dafür haben wir 1000 Euro veranschlagt. Ein weiterer großer Posten ist der Ankauf von Bild- und Fotorechten. Hier rechnen wir ebenfalls mit 1000 Euro. 500 Euro haben wir für den Kauf von Festplatten, Kabeln, Batterien, Adapter etc. und den Ausleih einer zweiten Kamera für ein bis zwei Tage kalkuliert. Und wir planen 500 Euro für eine Aufwandsentschädigung unserer Protagonisten ein.
Wir kommen aus Spanien und Deutschland, sind Journalisten, Ethnologen, Künstler, Kameraleute und Webdesigner und schauen aus verschiedenen Perspektiven in die unentdeckten Ecken der Stadt. Einige von uns sind in Berlin groß geworden, andere wollen hier vielleicht alt werden.
Maite Bueno ist Journalistin und kommt ursprünglich aus dem Baskenland. Als ‚Fremde’ kann sie viel direkter und naiver erfragen, was für uns als Deutsche oft viel schwieriger ist. Julia Mittwoch ist eigentlich Ethnologin, arbeitet mittlerweile aber bei der Deutschen Welle in der Redaktion Dokumentationen und Reportagen. Sie ist im Berliner Stadtteil Treptow groß geworden. Während ihrer Kindheit hat sie viel Zeit im Kleingarten ihres Großvaters verbracht. Dadurch ist wiederum die Erzeugung einer Nähe zu den Protagonisten möglich.
Maite Bueno