"unsichtbar" - Esther Beutz im Startnext-Interview
"Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre" - Robert BressonDie Fotografin Esther Beutz scheint sich dieses Zitat des französischen Regisseurs Robert Bresson besonders zu Herzen genommen zu haben, denn mit ihren Fotografien will sie auf eine besondere Form der Erschöpfung, die sog. tumorbedingte Fatigue hinweisen. Mit dem Projekt auf Startnext möchte sich Esther nun die Produktion von Fotoplakaten finanzieren und damit ihre bisherige Plakatreihe um zehn Plakate erweitern.Esther stand mir in einem kurzen Interview Rede und Antwort und erzählte mir, wie sie zur Fotografie gekommen ist, welche Erfahrungen sie bereits mit den ersten Plakaten gesammelt hat und was sie an Crowdfunding fasziniert. Du hast in Fotodesign deinen Abschluss gemacht und arbeitest seit dem als Fotografin. Welche Arbeiten haben dich und deine Kunst besonders geprägt?
Mein erstes eigenes Foto habe ich von meiner Mutter gemacht, die damals mit meinem Bruder schwanger war. Es war ein Polaroid und ich hätte, wenn mein Vater mich nicht gebremst hätte, vermutlich die ganze Welt um mich herum festgehalten. Schon früh hat mich in Paris eine Ausstellung von Magnum Fotografen schwer beeindruckt. Vor allem die schwarzweißen Reportagegeschichten haben es mir angetan. Mein damaliger Freund hat mir dann vor allem fototechnisch auf die Sprünge geholfen und ich kaufte mir meine erste Spiegelreflexkamera und belegte sämtliche Fotokurse, die zu bekommen waren. Es reifte dann der Entschluss, die Fotografie zu meinem Beruf zu machen. Im Studium habe ich mich auch mit Bildjournalismus, experimenteller Fotografie und Fotokunst befasst. Geprägt haben mich im Laufe meiner Auseinandersetzung mit Bildern jeder Art vor allem bestimmte Herangehens- und Betrachtungsweisen. Konsequent konzeptionelle Positionen wie z.B. die von Richard Long interessieren mich, auch narrative wie die von Duane Michals oder Sophie Calle. Seit meiner Jugend bin ich fasziniert vom Spiel mit Identitäten und Grenzüberschreitungen wie es z.B. Künstler wie David Bowie oder Nan Goldin betreiben.
Anfang Dezember hast du den ersten Ausstellungsteil von "unsichtbar" in mehreren deutschen Städten vorgestellt. Welche Erfahrungen hast du gemacht und wie war die Ressonanz auf deine Bilder?
Im Dezember habe ich die Arbeit unter anderem auf der Breast Nurse Konferenz in Bremen gezeigt. Es gab dort sogar einen Workshop zum Thema krebsbedingte Fatigue und die Fatigue wurde in mehreren Vorträgen angesprochen. Von den Breast Nurses habe ich ganz wunderbare Rückmeldungen bekommen. Einerseits wurde die Arbeit als sehr mutig empfunden, weil ich mich selbst als Betroffene sozusagen oute und zum anderen als ungeheuer wichtig, weil es so viele betroffene Patienten gibt, die nach Informationen hungern und das noch Pflegepersonal so wenig darüber weiß.
An Orten, an denen ich mit Betroffenen über die Ausstellung ins Gespräch komme, gibt es eine Dankbarkeit, dass ich mich so für dieses unbekannte und unterschätzte Phänomen einsetze. Über meine Ausstellung hat sogar ein Betroffener zu einer Diagnose gefunden, da seine Symptome zum ersten Mal einen Namen bekamen und er gezielter nach einem unterstützenden Arzt suchen konnte.
(c) Esther Beutz
Kannst du uns mehr über deine erste Austellungsreihe erzählen?
Der erste Teil von "unsichtbar" ist im Rahmen der Ausstellung "Todsünden" des Kunstvereins hub:kunst.diskurs e.V. in Hannover entstanden. Ich habe mich von der Todsünde "Trägheit" inspirieren lassen und natürlich gleich an meine eigene Erschöpfung gedacht. Als jemand, der im Zwischenbereich von Bildjournalismus und Fotokunst arbeitet, habe ich bisher meist von außen auf für mich spannende Themen geschaut. Jetzt wollte ich persönlicher werden und mich selbst mit meiner eigenen Erfahrung einbringen. Der erste Teil von "unsichtbar" enthält deshalb nicht nur ein Portrait von mir selbst, sondern auch drei Fotografien von Räumlichkeiten, die meine eigene Geschichte mit der krebsbedingten Fatigue zeigen.
Auf einer allgemeineren Ebene stellt "unsichtbar" aber auch gesellschaftlich relevante Fragen wie beispielsweise nach dem Wert eines Menschen, der den allgemeinen Anforderungen in einer Leistungsgesellschaft nicht mehr stand halten kann.
Damals bestand schon der Wunsch, die Arbeit durch Portraits weiterer Betroffener zu erweitern und die Arbeit im künstlerischen wie auch im medizinischen Kontext zu zeigen. Als ich über Startnext gelesen habe, war das für mich der Startschuss, den zweiten Teil von "unsichtbar" in Angriff zu nehmen und das Crowdfunding auszuprobieren.
Du bist nicht nur Starter, sondern auch aktiver Supporter. Welche Projekte auf Startnext begeistern dich und warum?
Die Idee des Crowdfundings ist einfach genial, da kann man doch nur mitmachen!
"365 Faces" von Björn Lexius ist ein gelungenes Fotoprojekt, bei dem wunderbare Portraits entstehen und ganz bestimmt auch tolle Begegnungen stattfinden, bei denen ich gerne Mäuschen spielen würde, die ich mir aber auch anhand der Portraits auch selbst vorstellen kann. Ich mag seine Art Portraits zu machen, deren Gemeinsamkeit die Begegnung auf der Straße ist.
Das "urban spacemag" hat mich neugierig gemacht, weil es sich mit Themen wie Stadt, Fotografie und Kunst auseinandersetzt, die ja z.B. in meiner Arbeit "1:1 – Ortssepzifik auf der Makroebene" auch eine Rolle spielen. Meine Unterstützung hat sich gelohnt, das Magazin habe ich längst als Dankeschön erhalten.
"Four vs. Hellfire" ist pure Lebensfreude. Wer so viel Spaß daran hat, sich auf einer Bühne auszutoben und auch noch den Mut dazu besitzt, der verdient es, nicht auf den Fahrtkosten hängen zu bleiben und unterstützt zu werden.
Gerne würde ich "Endland" im Netz sehen können. Ich weiß wie hart es ist über einen langen Zeitraum an einem Herzensprojekt zu arbeiten und viel Zeit, Geld und Energie zu investieren ohne zu wissen, ob es sich auch realisieren lässt. Diese Leidenschaft musste ich ebenfalls unterstützen.
(c) Esther Beutz
Crowdfunding gewinnt weltweit immer mehr an Bedeutung. Wie bist du darauf aufmerksam geworden und welche Erfahrungen hast du bereits damit gemacht?
Über facebook habe ich einen Link zu Startnext gefunden und habe mir auch gleich die Internetseite angeschaut. Mich hat die Idee, dass viele Menschen mit wenig Geld tolle Projekte möglich machen können sofort begeistert. Gerade für Künstler ist das eine phantastische Möglichkeit an Supporter zu kommen. Vor allem auch bei Projekten, die sich aus verschiedenen Gründen nicht dazu eignen, Geld damit zu verdienen.
Gelder im Kulturbereich werden immer weiter gekürzt und oftmals nur an Institutionen gegeben und nicht an Einzelkünstler. Mit Startnext hat man eine weitere Finanzierungsoption und kann gleichzeitig Menschen auf das eigene Projekt aufmerksam machen und daran binden.
Für "unsichtbar" habe ich ganz viele positive Rückmeldungen bekommen. Viele Supporter sind froh, dass sie mit kleineren Beträgen helfen und mein Projekt der Umsetzung näher bringen können. Es gibt auch eine Reihe an Menschen, die schon sehnlich auf die nächste Ausstellung warten und regelmäßig gucken, ob mein Förderbetrag schon angewachsen ist. Das tut richtig gut!
Vielen Dank für das Interview Esther!