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Warum Sanktionsfrei gegen Hartz IV-Sanktionen und für die Grundsicherung kämpft
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Warum Sanktionsfrei gegen Hartz IV-Sanktionen und für die Grundsicherung kämpft

Anna Theil
08.03.2016
6 min Lesezeit

Michael Bohmeyer hat mit seiner Startnext-Kampagne zu "Mein bedingungsloses Grundeinkommen" eine gesellschaftliche Debatte zum Thema Existenzsicherung losgetreten. Nun geht er einen Schritt weiter und hat sich mit Inge Hannemann, Politikerin und ehemalige Arbeitsvermittlerin, und weiteren Mitstreitern zusammengetan. Mit Sanktionsfrei möchten sie Hartz IV-Empfängern eine kostenlose Online-Plattform zur Verfügung stellen, welche umfassend informiert und Rechtsberatung leistet. Die Starter erzählen uns im Interview, wie aus persönlichen Erfahrungen die Idee zu Sanktionsfrei reifte und wie genau die Plattform im Einzelnen funktioniert.

Wer seid ihr und was macht ihr?

Wir sind ein Think Tank, bestehend aus Idealist*innen und Aktivist*innen, deren kleinster gemeinsamer Nenner der Wunsch nach echter Grundsicherung ist. Zum einen wollen wir darüber Debatten anstoßen. Zum anderen wollen wir sie einfach und konkret einführen. Die Debatte über Hartz IV wird derzeit nicht so engagiert geführt, wie wir uns das wünschen. Viele kennen sich mit den desaströsen Zuständen in den Jobcentern und den tagtäglichen Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung mit der deutschen Bürokratie gar nicht aus. Noch immer glauben die meisten daran, dass hierzulande alle ausreichend materiell abgesichert werden, sollten sie es brauchen. Das ist aber nicht der Fall - und das wollen wir ändern.

Mit Sanktionsfrei wollen wir gegen dieses Unrecht kämpfen indem wir Menschen im Bezug von Sozialleistungen helfen, ihre Rechte durchzusetzen. Wir sind 10 Menschen. Acht von uns arbeiten ehrenamtlich. Wir sind motiviert von einem positiven Menschenbild, eigenen Erfahrungen und dem Wunsch unsere Gesellschaft so zu verändern, dass alle gut und würdevoll leben können. Dabei verfügen wir über vielseitige politische und unternehmerische Erfahrungen und haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Viele von uns haben auch selbst schon Hartz IV bezogen und haben direkte Erfahrungen mit den Jobcentern gemacht. z.B. Johannes, der selbst über Jahre persönlich und als Begleiter vieler Menschen im Jobcenter, Erfahrungen mit Hartz IV und den damit verbunden Repressalien machen musste. Inge Hannemann, bekannt als die Hartz IV Rebellin, seit sie sich als Sachbearbeiterin des Jobcenters Altona öffentlich weigerte, Sanktionen zu verhängen. Und Meike, die langjährige Erfahrung mit Hartz IV und sich viele Jahre für Alleinerziehende eingesetzt hat. In ihrem Buch mutterseelenalleinerziehend haben die Themen Hartz IV und Armutsrisiko einen hohen Stellenwert. Micha, der Gründer von Mein Grundeinkommen e.V., hatte selbst das Glück eine Art Grundeinkommen zu beziehen und kämpft leidenschaftlich dafür, dass auch andere eine ausreichende materielle Grundsicherung bekommen - und damit die Freiheit “Nein” zu sagen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Die Idee stammt von Johannes Ponader und wurde von ihm schon viele Jahre in seinem Kopf durch die Gegend getragen. Als er sie vor über einem halben Jahr endlich unserem Team vorstellte, fand er damit großen Anklang. Er und Micha trafen Inge Hannemann in Hamburg und erläuterten unseren Plan. Sie war begeistert und sofort mit von der Partie. Was uns alle an der Idee begeistert, ist zum einen das Potential aus effektvoller und breiter Kampagnenarbeit zur Aufklärung über Hartz IV und das Unrecht, was in den Jobcentern passiert. Viele kennen sich gar nicht damit aus und wissen z.B. nicht, wie viele Menschen in Deutschland eigentlich unter dem Existenzminimum leben! Zum anderen wollen wir von Sanktionsfrei aber nicht nur reden, sondern ganz konkret einen Hebel entwickeln, der langfristig die Sanktionspraxis beendet und Hartz IV transformiert. Dafür werden wir eine greifbare Infrastruktur aufbauen, die Menschen ganz konkret hilft, ihre Rechte durchzusetzen. So hilft Sanktionsfrei von Anfang an in Einzelfällen - und verändert auf Dauer das gesamte System. Wow!

 

 
Die Starter Inge Hannemann (oben) und Michael Bohmeyer (unten)

Wie habt ihr zusammen gefunden?

Die meisten von uns kennen sich durch die Zusammenarbeit für den Verein Mein Grundeinkommen. Sanktionsfrei ist eine logische Ergänzung des BGE-Projektes. Solange wir keine echte Grundsicherung haben, müssen wir uns um diejenigen bemühen, die in dieser Gesellschaft noch weit entfernt sind von einem Existenzminimum. Uns alle treibt die Frage an, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit wir als Menschen und als Gesellschaft wirklich gut leben uns unser Potential entfalten können. Ein wichtiger Teil unserer Vision ist ein positives Menschenbild und die feste Überzeugung, dass positive Veränderungen möglich sind und wir auch im Kleinen große Hebel finden können - ganz unabhängig von großen Politik- und Verwaltungsprozessen. Unser Motto: Einfach machen.

Warum ist es euch wichtig, das Projekt zu realisieren?

Das ist ganz einfach: In einem reichen Land wie Deutschland darf es keine Armut Einzelner geben. Das wollen wir uns nicht leisten. Um dieses Ziel zu erreichen, entwickeln wir Webtools, mit denen Menschen, die sanktioniert wurden sich wehren können und einen Sozialfonds, der die Sanktion ausgleichen soll. Geplant sind:

  • Online-Anträge für Sozialleistungen 
  • anwaltliche Beratungschats 
  • Eine Reaktionsmaschine, die rechtsgültige Widersprüche und Antworten auf Behördenschreiben verfasst
  • kostenloser Faxversand der aufgesetzten Schreiben inklusive Zustellbestätigung. 

Mit diesen Tools kann jede*r sich gegen Sanktionen wehren. Derzeit nehmen nur 5 Prozent (!) aller Sanktionierten von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch - obwohl die Aussichten auf Erfolg sehr groß sind. Derzeit liegt die Erfolgsquote bei 40 Prozent. Die dem entgegengesetzte niedrige Anzahl an Widersprüchen erklärt sich hauptsächlich dadurch, dass den Betroffenen das Wissen darüber fehlt, wie sie ihre Rechte wahren können. Außerdem natürlich an der extremen Belastung. Es ist schwierig, komplizierte juristische Verfahren anzustreben, wenn man gleichzeitig um seine Existenz fürchten muss. Denn dieser Kampf frisst sämtliche Ressourcen. Wer Tag für Tag um das buchstäbliche Überleben kämpfen muss, hat keine Kraft mehr für diese sehr komplizierten bürokratischen Aufgaben. Darum wollen wir diesen Menschen einen Service bieten, der diese Dinge unkompliziert für sie erledigt.

Mit wem möchtet ihr gern zusammenarbeiten?

Mit Politiker*innen, Aktivist*innen und einfach allen Menschen, denen Grundsicherung und Menschenwürde am Herzen liegen, die neue und große Fragen stellen und darauf konkrete und machbare Antworten entwickeln wollen.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für euer Projekt!

Hier könnt ihr das Projekt Sanktionsfrei unterstützen. 

© Bilder: Sanktionsfrei

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