Gastbeitrag: Crowdfunding im Journalismus – Potenziale und Perspektiven für Deutschland
Crowdfunding und Journalismus in Deutschland – passt das zusammen? Eine Frage, die zur co:funding Konferenz 2012 zwischen Matthias Urbach, Andrea Kamphuis sowie Van Bo Le-Mentzel heiß diskutiert wurde. Man einigte sich auf ein Vielleicht. Linda Wehly griff das Thema “Crowdfunding im Journalismus: Potenziale und Perspektiven für Deutschland” in ihrer Abschlussarbeit auf und zog sich bei ihrer Beurteilung Prof. Stephan Weichert von der Macromedia Hochschule sowie Stefan Hertach von mediafunders.net zur Rate. In diesem Gastbeitrag hat Linda Wehly ihre wichtigsten Erkenntnisse noch einmal kurz für uns zusammengefasst.
Das Dilemma des Journalismus: Gewinn oder Qualität
Der Journalismus – allem voran der Zeitungsjournalismus – steckt in einer Krise: einer Finanzierungskrise. Diese hat ihren Anfang darin, dass das klassische Finanzierungsmodell aus Werbung und Vertrieb nicht mehr die gewohnten Erlöse abwirft. Die Leserzahlen der Printausgaben schrumpfen mit den Werbeerlösen um die Wette – zwischen 2000 und 2010 in Deutschland und den USA insgesamt um fast die Hälfte.
Medienunternehmen reagieren darauf mit schrumpfenden Redaktionen (seit 1995 hat sich die Zahl hauptberuflicher Journalisten um 25 Prozent verringert) und Recherchebudgets, was letztendlich Qualitätsverluste ihrer Produkte mit sich bringt. Gleichzeitig herrscht ein erbitterter Wettkampf um die Gunst der Leser zu geringsten Produktionskosten. Ein ökonomisch unmögliches Unterfangen, das nicht selten auf dem Rücken der gesellschaftlichen und moralischen Verantwortung des Journalismus ausgetragen wird. Und schuld daran ist das Internet! Oder?
Tatsächlich hat das Internet einiges verändert. Es besticht durch bequemen und kostenlosen Nachrichtenkonsum und hat mit diesen Vorzügen die Zeitung als bevorzugte Nachrichtenquelle klar abgelöst. In Zahlen gesagt: 61 Prozent der Onliner in Deutschland lesen Nachrichten im Internet. Doch nicht nur unsere Zahlungsbereitschaft sinkt, auch den Werbemarkt hat das Internet zugunsten der Werbetreibenden umgekrempelt. Ja, es hat die über Jahrzehnte bestehende Ordnung zwischen Medien, Journalismus, Werbung und dem Leser durcheinandergebracht. Es ist nun unsere Kreativität gefordert, neue und wer weiß vielleicht auch bessere Erlöswege für den Journalismus zu finden.
Die Potenziale des massenfinanzierten Journalismus
Kreativität hat der Amerikaner David Cohn bewiesen, als er 2008 mit seiner Plattform Spot.us das Konzept des Crowdfundings erfolgreich auf den Journalismus übertrug. Nehmen genügend Menschen am Crowdfunding teil, bietet es dem Journalismus spannende Potenziale:
- Werbung und PR werden zur Finanzierung nicht mehr gebraucht, denn die Funding-Summen können direkt einem Projekt zugeordnet werden.
- Der Reporter kann allein im Sinne der gesellschaftlichen Aufgabe des Journalismus arbeiten und damit ggf. eine bessere Qualität journalistischer Beiträge abliefern.
- Durch die selbstgewählte Budgethöhe beim Crowdfunding kann sich ein Reporter faire Arbeitsbedingungen leisten.
- Die Crowdfunder als „Rezipienten mit Gesicht“ stellen für die Reporter eine besondere Motivation dar und geben ihm ein besonderes Verantwortungsbewusstsein.
- Anstelle Einzelner entscheidet die Crowd, was interessiert. Es werden Themen aufgegriffen, die in den Augen der Crowdfunder wichtig sind, beziehungsweise die von ihnen von den Massenmedien als unterrepräsentiert empfunden werden.
- Durch Crowdfunding wird Journalismus „teilnehmbar“. Reporter und Crowdfunder können in einen direkten Dialog treten, von dem beide Seiten profitieren. Beide Seiten fühlen sich mehr eingebunden.
- Die journalistischen Beiträge sind für jeden kostenfrei und die Massenmedien können durch die Übernahme von Projektergebnissen profitieren.
Die neue Abhängigkeit von der Crowd
Aber auch das Crowdfunding im Journalismus hat seine Schattenseiten. Anstelle der Abhängigkeit von klassischer Werbung tritt die Abhängigkeit von den Crowdfundern. Prof. Stephan Weichert von der Macromedia Hochschule sieht für das Crowdfunding im Journalismus eine Notwendigkeit für genaue Regelungen, die besagen, wer was in welcher Höhe finanziell unterstützen darf, um neue Abhängigkeiten zu verhindern. „Crowdfunding macht aus meinen Augen nur Sinn, wenn die Unterstützung der Masse in Form von Klein- und Kleinstbeträgen erfolgt. Es darf keinerlei inhaltliche Beeinflussung geben.“ Damit verbunden ist eine hohe Planungsunsicherheit für den Reporter. Stefan Hertach von mediafunders.net ergänzt, dass es Reportern vor allem beim Alles-oder-Nichts-Prinzip ebenso passieren kann, trotz erheblichen Zeitaufwands für das Pitchen eines Projektes am Ende ohne Budget dazu stehen.
Spot.us in Deutschland – Ist das die Lösung?
Ein naheliegender Gedanke, jedoch unterscheiden sich die deutschen Rahmenbedingungen stark von den amerikanischen. Angefangen bei den benötigten Crowdfundern, liegt bei vielen Deutschen vielleicht das Interesse, jedoch nicht die Notwendigkeit zur aktiven Einbringung vor. Auf der anderen Seite fehlt es den potenziellen Projektinitiatoren, im Vergleich zu ihren amerikanischen Kollegen, an Mut und Risikobereitschaft Projekte zu lancieren. Ein weiteres Problem stellt die fehlende Förder- und Stiftungskultur da, die sich für neue Entwicklungen im Medienbereich wie dem Crowdfunding einsetzen. Prof. Weichert bedauert das, dennoch sieht er darin auch keine Erfolgsgarantie, dass Crowdfunding im Journalismus auch in Deutschland funktioniert.
Fazit: No risk, no journalism.
Das Crowdfunding hat ohne Frage Potenzial auf dem Gebiet des Journalismus. Vor allem zur Finanzierung von Nachrichten abseits des Mainstreams bietet es eine attraktive Alternative. Stimmen die Rahmenbedingungen, kann es einzelne Beiträge für TV, Radio, Print oder Web ermöglichen und damit einen wichtigen Beitrag zur Themenvielfalt leisten.
Ein herzliches Dankeschön geht an Linda Wehly für ihren Gastbeitrag.
Im Übrigen, die komplette Abschlussarbeit “Crowdfunding im Journalismus: Potenziale und Perspektiven für Deutschland” steht euch nun hier zur Verfügung.