Selbst ist nicht alleine! Aktuelle Tendenzen in der DIY-Kultur
Wir sprachen mit Matthias Röder, einem der Protagonisten hinter dem DIT-Laserbau-Projekt und Mitgründer des Werk.Stadt.Laden, sowie des FabLab-Dresden über die Entwicklungen des Selbermachens. Liegt in der DO IT YOURSELF Szene der Schlüssel für eine kooperative Gesellschaft? Was meinen wir, wenn wir über FabLabs und Makerspacer sprechen? Was mit Reparatur-Cafés begann, scheint mehr und mehr das Potenzial zu besitzen, den Prozess der Produktion nachhaltig zu verändern.
Hallo Matthias, stellt dich doch bitte einmal den Dresden Durchstarter Nutzern vor.
Hallo, mit Nachnamen heiße ich Röder. Ich wurde in Berlin-Lichtenberg geboren, bin aufgewachsen in einem erzgebirgischen Dorf, wohne zur Zeit sowohl in Dresden, als auch Berlin und studiere Kulturarbeit in Potsdam.
Etwas machen, gerade dort wo nix los ist, damit hab ich schon zur Schulzeit begonnen und mit Freunden ein alternatives Festival in einem Landstrich organisiert, in dem die NPD-Wahlergebnisse mit am höchsten sind. Über das machen von Musikveranstaltungen bin ich dann auch nach Dresden gekommen und bei dem Räubertage Festival gelandet. Dort ging es zunehmend mehr ums Bauen und Gestalten von kreativen und kollektiven Räumen - ein anderer Begriff dafür ist auch Makerspace.
Mit einigen der dort beteiligten Menschen habe ich Anfang 2010 den Werk.Stadt.Laden. gegründet, aus dem dann Ende 2013, unter Beteiligung vieler neuer Gesichter, das FabLab-Dresden hervorgegangen ist. Bei dem einen geht es um Kunst und Handwerk, bei dem anderen mehr um Elektronik und neue Technologien. Beide folgen aber dem Prinzip einer offenen Werkstatt. Wir teilen die Leidenschaft des Selbermachens mit allem was dazu gehört, vom Wissen, über Werkzeug, bis zum Wechselgeld.
Wie schätzt du die aktuelle Entwicklung der DIY-Szene ein?
DO IT YOURSELF, oder man könnte auch sagen die Kultur des Selbermachens, erreicht heutzutage eine Qualität, die sich radikal vom klassischen Heimwerken der vergangenen Tage unterscheidet. Selbst produzierte HighTechGeräte und Produktinnovationen Marke Eigenbau lassen sich zunehmend häufiger finden, entstehen weitestgehend unabhängig von großen Industriebetrieben und können stellenweise qualitativ mit ihnen gleichziehen. Jedoch ermöglicht erst ein globales Netzwerk aus Akteuren offener und demokratischer MiniFabriken, Selbshilfewerkstätten (MakerSpaces) und Fabrikationslaboren (FabLabs), diese komplexen Entwicklungen in Eigenregie.
Rapid Manufacturing, also die schnelle Fertigung, umfasst zum Beispiel Technologien wie 3D-Drucken, LaserCutten, oder CNCFräsen, die der Industrie schon seit langem zur Verfügung stehen. Mit Hilfe von kostengünstigen Eigenbauvarianten werden sie nun aber auch für die freie und persönliche Nutzung zugänglich.
Glaubst du, dass die Verfügbarkeit dieser Technologie für Jedermann den gesellschaftlichen Prozess der Produktion ändern kann?
Neil Gershenfeld, der Begründer des ersten Fablabs, umschrieb einen offenen Zugang zu dieser Art von Werkzeugen und Technologie einmal mit den Worten: „Wenn alle alles machen können, dann verändert das natürlich auch die Regeln des Geschäfts.“ und meint damit, dass sich mit den neuen und weitreichenden Produktionsfreiheiten für den Einzelnen, auch die bisherigen Prämissen des Arbeitens, Wirtschaftens und Lebens in der Gesellschaft grundlegend ändern werden. Als greifbare und zentrale Orte dieses zumindest denkbaren Paradigmenwechsels, umgibt FabLabs und andere MakerSpaces die Aura mehr zu sein als sehr gut ausgestattete Arbeitsräume. Sie werden zu Möglichkeits- und Experimentierräumen neuer Formen des Wirtschaftens, Zusammenlebens und Arbeitens. So gesehen und aus meinen Erfahrungen heraus glaube ich daran.
Worin liegt deiner Meinung nach die Motivation dieser Leute begründet?
Die Motivation der agierenden Maker und Fabber liegt meiner Erkenntnis nach, weniger in der populären Vorstellung einer alles produzierenden Wundermaschine nach dem Vorbild des Star Trek Replikators, die irgendwann jeder auf dem Schreibtisch stehen haben wird; sondern viel mehr in der tiefgreifenden Erfahrung mit Hilfe eines starken und unabhängigen Netzwerks aus Menschen, Wissen und materiellen Ressourcen, die (Waren)Welt nach eigenen Werten und Vorstellungen (um)gestalten zu können. Zumindest ist das bei mir so.
Aber in der öffentlichen Debatte weitgehend unbeleuchtet und in den meisten Projekten unbearbeitet, bleibt oft der Aspekt, dass komplexe Produktentwicklungen der “freien Szene”, wie das FairPhone oder die KarmaChakhs, nicht die “SelfMadeLeistung” einzelner Individuen ist, sondern erst durch den Rückgriff auf ein umfangreiches Netzwerk an Akteuren mit jeweils spezifischen Mitteln und Möglichkeiten (Maker), sowie durch die Mobilisierung einer ideell und finanziell unterstützenden Masse an Fans (Crowd), möglich werden.
Diese Art der Produktion basiert weitgehend auf dem gemeinsamen Anspruch gerechter wirtschaften zu wollen und nutzerorientierte Produkte mit humanen und ökologischen hohen Standards herzustellen, die auf dem konventionellen Markt nicht zu finden sind. Statt auf die großen Industriebetriebe zu warten, nimmt der sogenannte “Prosumer” die Sache selbst in die Hand.
In der klassischen Produktion wird großer Aufwand zum Schutz des Wissens betrieben. Ihr macht euch nicht nur für die freie Verfügbarkeit von Wissen, sondern auch von Produktionsmitteln stark.
Mit der gemeinsamen Produktion und Offenlegung der Baupläne von kooperativ hergestellten Waren, müssen die Kategorien von Eigentum und Besitz neu definiert werden. Auch das Urheberrecht kommt hier an seine Grenzen, was wir insbesondere in der Musikproduktion stark zu spüren bekommen.
Makerspaces sind Tempel einer Lebens- und Konsumeinstellung, die auf dem Teilen von Wissen und materiellen Ressourcen basiert.
Sie orientieren sich stark an den Werten und Prinzipien der freien Softwareproduktion, die im wesentlichen den offenen Zugang und die uneingeschränkte Weitergabe garantieren. Der Nutzer hat das Recht die Software frei zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen, zu ändern und zu verbessern. Die Entwicklung der Software basiert zumeist auf Kooperation, statt Konkurrenz.
Im Hardware Bereich trifft die Umsetzbarkeit dieser Maxime jedoch auf neue Herausforderungen. Beispielweise ist die Verfügbarkeit von Hardware von Natur aus eingeschränkt, da sie sich nicht auf ähnlich einfache Weise kopieren lässt. Die Aushandlung um die gerechte Verteilung der vorhandenen Ressourcen und Güter auf den Beteiligten Personenkreis, ist eine wiederkehrende und dauerhafte Aufgabe in der Organisation geteilter Räume und Güter. Eine universelle Lösung zum Umgang mit dem Verhältnis zwischen Aufwand, Kosten und jeweiligen persönlichen Nutzen gibt es jedoch leider nicht. FabLabs und co. können in diesem Zusammenhang auch als Orte angesehen werden, in denen praktisch ausprobiert wird, wie sich die Werte und Paradigmen der freien Softwareproduktion in die materielle Produktentwicklung und -verteilung übertragen lassen.
Vielen Dank für das Gespräch, Matti. Wann und wo ist das FabLab-Dresden in Aktion zu erleben? Wird es später auch ein Crowdfundig-Projekt dazu geben?
Gern geschehen. Das FabLab hat viel vor 2014. Wir gehen auf Wanderschaft! Im April startet das Projekt mit dem Namen “METAFAB”, welches ein System an freien Ressourcen und Möglichkeiten bezeichnet, das wie ein unsichtbares Netz über der Stadt liegt. Dieses Netzwerk möchten wir erkunden und wandern mit 3D-Drucker, Lasercutter, Schneideplotter und vielen anderen Werkzeugen von Station zu Station. Wir sammeln bestehendes Wissen, generieren neues und geben es wieder an das Netzwerk zurück.
Haltepunkte sind ganz unterschiedliche Orte, wie die Staats- und Universitätsbibliothek SLUB, die Kunstgalerie Hole Of Fame, oder das Festspielhaus Hellerau. In den dort jeweils entstehenden temporären Fabrikations-Stationen, arbeiten wir aktiv an offenen Bauplänen und Betriebssystemen, die bewusst einfach zu reproduzieren sind und dem uneingeschränkten Kopieren, Verbreiten, Verändern und Verbessern freigegeben werden.
Ein konkretes Crowdfunding-Projekt dazu ist noch nicht geplant. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass wir on tour eine Entwicklung im Metafab herausgreifen und mithilfe von Dresden Durchstarter so richtig nach vorne bringen!
Matthias, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen dir und dem Dresdner METAFAB viel Erfolg.