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Warum Crowdinvesting wie Lottospielen sein soll - und Crowdfunding nicht.
Startnext News

Warum Crowdinvesting wie Lottospielen sein soll - und Crowdfunding nicht.

Denis Bartelt
28.08.2023
8 min Lesezeit

Auf Zeit Online hat Selma Schmitt einen ziemlich erwartbaren Artikel darüber geschrieben, welches Risiko im sogenannten Crowdinvesting steckt. Wie aktuell ist diese Analyse und was fehlt?

Lotto. Ich empfehle dir heute, dein Glück herauszufordern und einen Lottoschein zu kaufen. Die Chancen auf einen kleinen Erfolg stehen gar nicht so schlecht und dein Geld geht ansonsten in soziale Projekte. Warum Crowdinvesting wie Lottospielen sein soll, liest du am Ende dieses Artikels. Anlass für diesen Beitrag waren die Gedanken von Selma Schmitt in der Zeit Online.

Wann startet Crowdinvestment auf Startnext?

In den Jahren 2011-2014 haben Tino und ich, als Gründer von Startnext, viel Zeit und Aufmerksamkeit in das Thema Investments mit der Crowd gesteckt. Wir haben uns damals gefragt, ob die Crowd nicht noch ein Stück weitergehen kann, ob nicht noch mehr drin steckt für die Crowd. Kann die Crowd mehr Risiken bei der Finanzierung übernehmen und dabei profitieren, auf einem Level, das das Risiko auch wert ist? Wir haben dazu sogar zwei Konferenzen unter dem Titel “co:funding" Konferenz” organisiert - in Leipzig und auf der re:publica 2012 in Berlin. Wir waren bemüht, Begrifflichkeiten zu finden, die die Crowdfunding Arten differenziert, damit Nutzer:innen wissen, womit sie es zu tun haben, wenn über Crowdfunding und Crowdinvesting gesprochen wird. 

Wir haben damals, jeder für sich, eigene Investitionen auf Pattformen, wie Seedmatch (dem Pionier unter den Investing Plattformen) und Companisto getätigt, um das ganze auszuprobieren und für uns zu bewerten. Ich kann heute feststellen, dass im Grunde alle meine Investitionen den Bach runtergegangen sind. 10 Investments hatte ich getätigt, in Technologie, Software, Cybersecurity, Community, Nahrungsmittel und Versandhandel – ein guter Mix und dennoch konnte keines der Unternehmen in den ersten 3-5 Jahren überleben, etwa 8.000 € sind futsch. Darunter so bekannte Namen, wie Bloomydays, Protonet, AoTerra, Bonaverde, Secucloud, Wonderpots, Edition F ... usw.

Vielleicht war Tino etwas erfolgreicher als ich. 

Das Problem der mit Crowdinvesting assoziierten Finanzierungsmethode, so wird es auch im Zeit Online Artikel beschrieben, war und ist die Nachrangigkeit und die geringe Skalierung im Erfolgsfall.
Wenn etwas nicht funktioniert, dann ist die Crowd schnell raus, weil die Verträge im Insolvenzfall oder bei fehlender Liquidität Nachrang haben, also nicht bedient werden.
Wenn es gut läuft mit dem Investment, dann bleibt es bei einer niedrigen Verzinsung und Rückzahlung. Dies kann die möglichen Ausfälle kaum entschädigen. 2014 wurde reguliert, dass Crowdinvesting mit Nachrangdarlehen abzubilden sei.

In den letzten Jahren haben die Plattformen versucht, die Crowd besser am Erfolg zu beteiligen. So können heute, neben Bonds, digitale Wertpapiere, Aktien und Genussscheine erworben werden. Bei Companisto ist inzwischen sogar der Handel auf einem Sekundärmarktplatz möglich. Es hat sich einiges getan, worauf der Artikel von Selma nicht im Detail eingeht. Es wäre spannend, diese Punkte noch einmal genau zu untersuchen.

Crowdinvesting ist inzwischen sehr komplex geworden, weswegen ich hier schon gar nicht mehr von „Crowd“investing reden würde, denn der Begriff Crowd schließt alle Nutzer:innen ein, hohe Komplexität schließt aber sehr viele Nutzer:innen aus. Auf diesen Umstand reagieren die Plattformen pflichtgemäß mit vielen Risiko- und Verlustwarnungen. Kurz, wenn du nicht verstehst was hier passiert, lass die Finger davon. Companisto bemüht sich inzwischen, den Begriff gar nicht mehr all zu oft zu nennen. Man sieht sich eher als Investoren-Club. Auch Exporo, eine Plattform für Immobilieninvestments, nennt den Begriff nicht. Die Google-Suche liefert jedoch auch bezahlte Anzeigen unter dem Begriff “Crowdinvesting” von Companisto, Bergfürst und anderen.

Crowdinvesting für Genossenschaften

Auf Startnext haben wir seit 2014 getestet, ob Crowdinvesting und Crowdfunding mit Genossenschaften gut zu uns passen würde. Du erinnerst dich vielleicht, Fairmondo (damals als Fairnopoly), brabbl, Trink-Genosse und Supercoop gehörten dazu. Die Finanzierungserfolge waren gar nicht so schlecht und die Crowd wurde zu Genoss:innen, mit mehr Mitspracherecht als bei einem klassischen Nachrangdarlehen.

Zwei völlig verschiedene Grundmotivationen im Crowdfunding und Crowdinvesting

Uns ist damals aufgefallen, dass sich die Motivationen bei Crowdinvesting und Crowdfunding auf allen Seiten stark unterscheiden, obwohl der Begriff nahelegt, dass es sich um Crowdfunding, also ein und dieselbe Sache handelt.

Beim Crowdinvesting wird von den Investor:innen auf den Erfolg des Produktes/Unternehmens spekuliert. Die eigentlichen Kund:innen sind nicht involviert. Im besten Fall hat die Emittentin einen Markttest schon erbracht und ist glaubwürdig.

Die Unternehmer:innen haben den Vorteil, dass ihr eingesammeltes Kapital als Mezzanine-Kapital (Eigenkapital ohne Stimmrecht) gewertet wird und davon zunächst nichts abgegeben werden muss. Sammle ich abzüglich der Plattformkosten (etwa 10-15%) 100.000€ ein, dann kann ich damit arbeiten. Ob es zur Rückzahlung kommt, ist hoch spekulativ und hängt vom Unternehmenserfolg ab. Investor:innen geben hier etwa zwischen 250 und mehreren Tausend €.

Beim Crowdfunding wird von den Unterstützer:innen auf die Auslieferung des bestellen Produktes spekuliert, bzw. einfach Geld für die gute Sache gegeben. Das Produkt zu realisieren, ist die Aufgabe der Starter:innen. Dazu müssen sie nicht mal ein Unternehmen gründen. Das geht auch in Selbstständigkeit oder als temporäre GbR. Es handelt sich um Beträge zwischen 35-75€ auf Seiten der Unterstützer:innen, die hier als normale Konsument:innen agieren. Der Zeitraum, in dem das Projekt üblicherweise realisiert wird, liegt zwischen 6-12 Monaten. Beim Crowdinvesting sprechen wir über ungefähr 3-7 Jahre, in denen das Kapital verzinst und ggf. mit erfolgsabhängigen Erlösen zurückfließen soll.

Nachteil beim Crowdfunding ist, dass das eingesammelte Geld bereits Umsatzsteuer, Produktionskosten, Versandkosten und nicht zuletzt auch Gewerbeertragssteuer enthält, weil es als Einnahme (aus Vorverkäufen) verbucht wird und nicht als Eigenkapital. Wenn hier ebenfalls 100.000€ eingesammelt wurden, dann stehen die deshalb nicht vollständig zur Verfügung.

Was diesen Nachteil in meinen Augen aber komplett auflöst, ist der Fakt, dass nach der Umsetzung und Auslieferung kein weiteres Schuldverhältnis zwischen Starter:in und Unterstützer:in besteht. Die Ware ist geliefert – erledigt. Das erscheint mir wesentlich agiler und ist, sofern für das Unternehmen passend, die konsequentere Lösung – Mitteleinwerbung über Markttest und Vorverkauf. Klappt dies nicht, wird das Projekt gar nicht erst gestartet. Es entsteht so kein erheblicher Schaden.

Die Erkenntnis, ob der Markt überhaupt funktioniert, verschiebt sich beim Crowdinvesting in vielen Fällen erst auf den Zeitraum nach der Kampagne, nämlich bei der Markteinführung, insbesondere wenn die Marke noch nicht etabliert ist.

Beim Crowdinvesting müssen die 100.000€ zzgl. Zins durch Gewinne erwirtschaftet werden, dann profitiert die Crowd.

Kein Crowdinvesting auf Startnext

Tino und ich haben uns damals gegen eine Fortführung von Crowdinvesting auf Startnext entschieden, weil wir glauben, dass Crowdfunding seine Stärke im Markttest ausspielt und wir die Crowd auch nicht durch komplexe Verträge übervorteilen sollten. In eine nachrangige Stellung wollten wir die Crowd jedenfalls nicht bringen. Komplexe Verträge wirken hier wie Gatekeeper. Gatekeeping wollten wir bei Startnext nicht fördern. Gerade wenn es um neues Wirtschaften geht, braucht es Experimentierfläche, die nicht nach alten Regeln und Mustern spielt. Das lässt sich mit Crowdfunding auf Startnext gut ausprobieren.

Mehr Erfolg beim Lottospielen

Wie kommt es nun dazu, dass Crowdinvesting wie Lottospielen sein soll? Der im Artikel interviewte und zitierte Finanzprofessor Markus Petry von der Wiesbaden Business School formulierte:

„Crowdinvesting sollte deshalb keinesfalls Teil der eigenen Altersvorsorge sein. Das ist eher wie Lotto spielen.“

Das deckt sich mit meinen Erfahrungen aus der damaligen Zeit. Bei meinen 10 Investments, war die Erfolgsquote genauso hoch, wie bei meinen letzten 10 Lottoscheinen, bei denen vielleicht einmal 8€ Gewinn dabei waren. Wenn ich mir nun überlege, dass ich da gerade mal 100€ in Lotto investiert hatte, ist der Ausfall beim Lotto sogar geringer. Hätte ich die 8.000€ direkt in Lottoscheine investiert, hätte mir das Glück vermutlich mehr Geld beschafft als mit diesen gut gedachten Startups und deren Nachrangdarlehen.

Die über 100 Dankeschöns, die ich in 13 Jahren auf Startnext bestellt hatte, habe ich übrigens alle bekommen, nebst vieler herzlicher Worte.

Das Wertpapiergesetz eWpG seit 2021

Im Jahr 2021 wurde endlich geregelt, was auf EU Ebene harmonisiert werden sollte. Welche Auswirkung hat das Wertpapiergesetz auf die angemessene Beteiligung der Crowd? Sind die aktuellen Implementierungen der Plattformen für die Investor:innen von Vorteil?

Der Zeit-Artikel bleibt in meinen Augen an der Oberfläche und bedient lediglich die Muster und Erfahrungen, die ich selbst aus dieser Zeit vor dem eWpG habe. Spannend wäre gewesen, zu wissen, wie es mit den neuen Vehikeln und den Risikoverhältnissen aussieht. Die Plattformen sind bemüht, die Stellung ihrer Investor:innen gegenüber den Emittent:innen zu verbessern. Aber haben sie es auch geschafft?

In einem Beispiel-Vertrag eines aktuellen Projektes zu Genussscheinen auf Companisto lese ich auch heute noch, dass diese unter Nachrang stehen.

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