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"Der Fühlweber - Asche des Feindes". Ein Science-Fiction-Fantasy-Roman von Cathrin Block.

„Der Fühlweber“ ist ein Science-Fantasy Roman: Menschen siedeln seit langem auf Nouworld und inzwischen gibt es unter ihnen besonders Begabte. Vor allem Fühlweber können jeden mental steuern, weshalb man sie fürchtet, aber auch braucht. Gav ist Fühlweber. Und als er unabsichtlich jemanden mit seiner Gabe verletzt, wird er zum Gejagten der Gilde, die jeden Missbrauch sofort ahndet. Er flieht – und kommt dabei einem Geheimnis auf die Spur. Hier signiert bestellen! Leseprobe im Blog ↓
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Kategorie
Literatur
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07.08.2022

LESEPROBE Dressas Ankunft 27. März 467 nach Landung (n. L.)

Juliane Block
Juliane Block7 min Lesezeit

Was, wenn alle Würmer inzwischen tot waren! So kurz vor dem Ziel! Wie würde Burugiyel ihr Versagen bestrafen?

Verzweifelt starrte Dressa Fermin in den geöffneten Behälter auf ihrem Schoß. Sonnenlicht fiel schattenlos auf die fette, schwarze Erde darin, doch es tat sich nichts. Keine Krume regte sich, keines der daumenlangen, weißen Tiere kroch an die Oberfläche, um Licht zu tanken. Würde der Herr über ihrer aller Leben nur sie, die Schuldige zur Rechenschaft ziehen, oder rächte er sich auch an ihrer Schwester und dem Vater? Oder vielleicht sogar an den Kindern?

Dabei waren die Würmer vor ein paar Tagen in Hylport noch richtig munter gewesen. Vorsorglich hatte sie zu Hause im Nordmoor Süntelwurzeln ausgegraben und die Stücke zu ihnen in die Erde gemischt. So konnten Burugiyels Kreaturen auch hier im feindlichen Süden überleben, wo allein die Luft sie schon umbrachte. Doch das heimatliche Nordmoorwasser, mit dem Dressa den kostbaren Inhalt ihrer Dose befeuchten musste, war inzwischen aufgebraucht.

Sie schaute hinüber zum langsam dahingleitenden Flussufer. Verdammte Flaute! Warum nur hatte sie diesen Lastkahn genommen, der als Antrieb nichts weiter besaß als ein einziges Gaffelsegel? Ausgerechnet jetzt war der immerwährende Wind eingeschlafen und sie trieben schon seit Hylport nur mit der Strömung den Therion stromab. Die Tage verstrichen in quälender Langsamkeit, während die Tiere eines nach dem anderen verendeten.

Wann endlich erreichten sie Itelgo?

Wieder sah Dressa hinunter auf ihren Schoß – und sog tief und erleichtert die Luft ein. Plötzlich war er da, der erste Wurm, schlapp zwar und entsetzlich dünn, aber offenbar reichte die Feuchtigkeit der Erde immer noch, dass die Wurzelstücke ihre Wirkung entfalteten. Zumindest schaffte es das Tier, sein verdicktes vorderes Ende mit den drei schwarzen Punkten auf die Sonne zu richten. Seine Körpersegmente begannen zu pumpen und tranken förmlich das Licht. Und noch besser, zwei weitere Würmer krochen an die Oberfläche. Es lebten noch drei von ihnen! Genug, um Burugiyels Auftrag zu erfüllen und hier im Gebiet des Widersachers ein neues Wurmnest zwischen die Wurzeln eines Süntels zu pflanzen. Sie musste nur endlich ankommen, ihren Neffen finden und sich von ihm zu einem dieser Sträucher führen lassen.

Wenn die Stadt doch nur endlich in Sicht käme.

Der Junge lebte in Itelgo, das hatte Burugiyel herausgefunden. Eine Entdeckung, die den Herrn über das Nordmoor geradezu elektrisierte. Ein bisher unbekanntes Familienmitglied mitten im Feindesland! Ungeahnte Möglichkeiten eröffneten sich, schon allein die Ansiedlung der Würmer würde ein Sieg gegen den ewigen Rivalen bedeuten. Und wenn Dressas Neffe erst gebunden war …

Sie strich über die Seiten der Dose und wünschte, sie wäre Gabenheilerin. Dann könnte sie die Würmer zusätzlich zum Sonnenlicht mit ihren mentalen Kräften stärken. Aber sie war Fühlweberin und verfügte nur über … Doch halt, auch damit konnte sie etwas tun.

Vorsichtig blickte sie sich um, aber hier auf der Taurolle am Bug war sie allein. Mittschiffs scheuerte ein Matrose die Planken, die drei übrigen Passagiere hatten sich achtern in der Nähe des Niedergangs versammelt und über ihnen auf dem Steuerdeck, hinter den Fenstern des Ruderhauses, erkannte sie die Köpfe von Kapitän und Steuermann. Die Gelegenheit war günstig. Sie überlegte, welche Farbzusammenstellung sie mit ihrer Gabe imaginieren sollte, um die Emotionen der Würmer anzuregen. Auf jeden Fall mehrere Stränge Rot, also Kraft, dazu etwas Blau, Zuversicht, und natürlich Grün, Freude.

Aber dann zögerte sie, den Blick nach innen zu kehren und ihren Kanal zu öffnen. Solange sie sich auf ihre Fühlbänder konzentrierte, war es möglich, dass sich jemand unbemerkt näherte. Und unbequemen Fragen musste sie um jeden Preis aus dem Weg gehen. Sie seufzte. Für den Moment musste das Sonnenlicht genügen, später in der Kabine konnte sie ungestört ihre Gabe einsetzen, wenn es denn nötig wurde.

Die Würmer lagen inzwischen bewegungslos auf der Erde, aber sie hatten sich genügend aufgepumpt. Jetzt glichen sie nicht nur in der Länge, sondern auch in der Dicke einem Daumen. Immerhin etwas, dachte Dressa, schloss den Deckel und verstaute die Dose in ihrer Schultertasche. Dann überlegte sie, wo sie mit der Suche nach dem jungen Mann beginnen sollte, wenn sie endlich ankamen.

Am besten war es sicherlich, bei den Hinjetställen anzufangen. Zum einen war ihr lange verschollener Cousin, der Vater des Jungen, von einem Hinjet angefallen und getötet worden, was sich bestimmt unter den Betreibern herumgesprochen hatte. Zum anderen gab es nicht allzu viele von ihnen, weil man für Hinjets ausgebildete Fühlweber brauchte, anders waren diese großen, reizbaren Tiere nicht unter Kontrolle zu bringen. Doch viele scheuten den Umgang mit Dressas Kollegen und sie schätzte, dass man selbst in Itelgo, der größten Stadt auf Nouworld, jede dieser Einrichtungen an nur einem Nachmittag besuchen konnte.

Dressa erinnerte sich noch genau an den Tag, als Barthes‘ Unfall bekannt wurde. Jahrzehntelang war es so gewesen, als habe der Erdboden ihren Cousin verschluckt. Nicht mal der Herr über ihrer aller Leben, der immer wusste, wo sich jedes Familienmitglied aufhielt, hatte ihn aufspüren können. Doch dann, in der Sekunde des Todes, nahm Burugiyel Barthes auf einmal wieder wahr, ihn und seinen letzten Gedanken. Und dieser galt einem fast erwachsenen Sohn! Weshalb Dressa jetzt hier am Bug des Lastkahns saß und das Ende der Reise herbeisehnte.

Wieder blickte sie zum Flussufer. Das Schiff steuerte gerade auf eine Felsnase zu, die von rechts in die Strömung ragte. Jenseits davon öffnete sich eine weite Wasserfläche, fast schon ein See. Boote in allen Größen schwammen auf den glitzernden Wellen und ein ganzes Stück voraus querten flache Fähren den Fluss. Dahinter unterteilte eine waagerechte, wolkige Linie den Horizont in einen oberen, blauen Teil und einen weißen mit blaugrauen Schatten darunter.

Dressa richtete sich auf. Plötzlich klopfte ihr Herz bis in den Hals hinauf. Der Kharvush? Ihr Vater besaß eine Ansichtskarte aus Itelgo, mit eben diesem Anblick am Horizont. War das dort hinten wirklich das Gebirge, das die Welt in Nord und Süd zerteilte?

Sie beschattete die Augen mit der Hand und spürte, wie sich nicht nur in ihr, sondern auch im Herrn neue Hoffnung regte. Es lebten immer noch drei Würmer! Gespannt beobachtete sie, wie die Felsen rechts von ihr vorbeiglitten. Und dann verschwanden sie nach achtern und gaben den Blick auf die Stadt frei.

Bei – Burugiyels – Glitzern!

Dressa schaute zum Ufer und jede Hoffnung zerplatzte wie ein angestochener Luftballon. Dieser Anblick war … Sie fand keine Worte dafür.

Von Itelgo selbst konnte man nicht viel erkennen. Ein Stück vom Fluss entfernt wurde die Sicht durch eine hohe, graue Flutmauer aus fest gefügten Granitsteinen versperrt, auf der das letzte Frühjahrshochwasser in halber Höhe eine deutliche Linie hinterlassen hatte. Nur ein Minarett und ein bekanntes Postkartenmotiv, die fünf gelben Sandsteintürme des Königspalastes, ragten über der Mauerkrone auf. Und natürlich die berühmten Drachenzähne, hohe Felsen, die, wie der Vater erzählt hatte, überall in der Stadt aus dem ebenen Schwemmland brachen. Aber schon beim Anblick dessen, was sich am Ufer tat, krampfte sich Dressas Magen schmerzhaft zusammen.

Auf drei Rampen, die sich von der Mauerkrone im weiten Bogen herabschwangen, geriet der dichte Verkehr immer wieder ins Stocken. Pontons, fast lückenlos besetzt mit vertäuten Schiffen, waren durch Stege mit der Uferstraße verbunden und an Land stapelten sich regelrechte Gebirge aus Kisten, Säcken und anderen Waren neben den roh gezimmerten Bürobuden der Speditionsfirmen. Doch was Dressa vor Entsetzen den Atem raubte, waren die vielen Menschen, die überall herumwuselten, und die Korrals voller Esel, Schafe, Ziegen und – Hinjets! Mengen von Hinjets! Niemals würde sie bis zum Abend den richtigen Stall finden können. Alle Würmer würden verendet sein, bevor sie den Jungen aufspürte. Und was würde in dem Fall Burugiyel mit ihr machen? Wie sollte sie dann noch den Herrn über ihrer aller Leben zufriedenstellen?

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