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„häppchenweise“ - ein Dokumentarfilm über ein Post-Pornographisches Experiment finanziert sich über Crowdfunding
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„häppchenweise“ - ein Dokumentarfilm über ein Post-Pornographisches Experiment finanziert sich über Crowdfunding

Ron ty
20.08.2012
5 min Lesezeit

häppchenweise soll ein sogenannter Post-Pornographischer Dokumentarfilm werden, der über Startnext erfolgreich finanziert wurde: 384 Supporter haben gemeinsam für die Verwirklichung des Projekt mit über 10.000€ unterstützt! Schon Ende August beginnt der Dreh des Dokumentarfilms in deren Mittelpunkt ein Event steht, in dem sich 6 Menschen für eine Nacht unter dem Motto „Ein Abend, sechs Körper, wie weit würdest du gehen?“ gegenüberstehen und kennenlernen. Wie weit das Experiment geht, das werden wir sehen können. Wir haben Maike, die sich als Lehrbeauftragte der Kunstwissenschaft auch beruflich mit Post-Pornographie beschäftigt, zu ihrem Projekt interviewt.

Maike, du möchtest einen Post-Pornographischen Dokumentarfilm drehen, den du selbst als Experiment beschreibst. Was kann man darunter verstehen?
Die Post-Pornographie ist eine noch recht junge Bewegung aus dem Transgenderbereich. Sie soll normierte Bilder, die in den Köpfen der Menschen sind, künstlerisch aufbrechen und subversiv die Pornographie aus der „Schmuddelecke“ holen.
Für unseren Dokumentarfilm ist es uns sehr wichtig ist, dass unsere Protagonisten keinerlei Zwänge und Erwartungshaltungen durch uns erfahren. Unsere Protagonisten sollen sich möglichst authentisch verhalten und dabei auch ganz bewusst mit der Kamera arbeiten. Damit wird das ganze Projekt für uns zum Experiment, bei dem wir das Ergebnis nicht kennen.

Euer Projekt ist wahrscheinlich nicht ganz frei von Zweifel. Einige werden darin ein weiteres „Big Brother" sehen. Gab es Einwände, die besonders diskussionswürdig sind? Wie geht ihr mit solcher Kritik um?
Bestimmt gibt es auch Stimmen, die vom Gedanken beeinflusst wurden, es würde in die Richtung „Big Brother“ gehen. „häppchenweise“ ist aber davon weit entfernt. Sicher möchte es den Voyeurismus-Trieb befriedigen. Wir möchten aber Niemanden vorführen. Allein die Räumlichkeiten sind so eingerichtet, dass jeder Protagonist sich der Kamera auch entziehen kann. Das ist bei „Big Brother“ nie gewollt. So gibt es zum Beispiel lediglich einen Raum, der zweigeteilt ist, in dem wir unsere Kameras aufgebaut haben. Möchte der ein oder andere Protagonist gerade seine Privatsphäre, dann werden wir ihn nicht mit der Kamera auf die „Pelle“ rücken.

Ich kann mir vorstellen, dass es für viele ein sehr interessantes Experiment ist, aber die meisten von ihnen würden sich wahrscheinlich nicht selbst mit einbinden lassen. Wie habt ihr eure Protagonisten ausgewählt?
Hauptsächlich haben wir unsere Protagonisten über Mundpropaganda gesucht und gefunden. Es gehört schon eine gute Portion Mut und Selbstbewusstsein sowie eine leichte exhibitionistische Ader dazu, um bei dem Experiment mitzuwirken. Wir dachten, da ist persönliches Kommunizieren besser geeignet. Einige Protagonisten kommen sogar aus meinem persönlichen Umfeld. Wichtig sind uns eine ungezwungene Haltung, Idealismus und kommunikative junge Leute mit einem hohen Bildungscharakter.
Als wir eine überschaubare aber relevante Menge an Bewerbern zusammen hatten, haben wir dann ein Casting, das wir gerne unverbindliches „Informationstreffen“ nannten, abgehalten.

Warum habt ihr euch dazu entschieden euer Projekt über Crowdfunding zu finanzieren?
Wir halten diesen Weg der Finanzierung über viele Menschen für einen guten Weg, um von großen Firmen unabhängig und nicht-gewinnorientiert zu bleiben. Pornographie soll nicht allein der Phantasie Weniger überlassen werden, mit unserer Dokumentation möchten wir die Vielfältigkeit aufzeigen. Da sind die heutigen technischen Möglichkeiten, der Nutzen der Schwarmintelligenz, für uns der logische Weg. Crowdfunding ist dabei ein wichtiges Instrument: Wenn die Supporter unseren Film nicht unterstützt hätten, dann gäbe es auch den Dokumentarfilm nicht. Die Daseinsberechtigung des Films entsteht also durch ihre Finanzierung. Eine wichtige Erkenntnis, die ich durch unsere Kampagne gemacht habe, ist die, dass beim Crowdfunding Partizipation, Kommunikation und Finanzierung gleichzeitig stattfindet.

Welche Partizipation eurer Community hast du erfahren und welche Freiräume hast du für sie geschaffen?
Ein wichtiger Bestandteil für unsere Protagonisten an diesem Abend ist ein Flaschendreh-Spiel. Jeder kennt es und Viele werden es schon gespielt haben. Wer uns im Projekt unterstützt hat, der konnte sich an den Fragen, die an unsere Protagonisten gerichtet sind, beteiligen. Damit wird die Community Bestandteil des Ganzen.
Während der Crowdfunding-Kampagne waren wir sehr überrascht, dass wir nicht nur viele finanzielle Unterstützer hatten, sondern dass Viele uns auch ihre Arbeitsleistung oder Kapazitäten als Unetrstützung angeboten haben. So gibt es Angebote von der Postproduktion bis hin zu Fahrertätigkeiten. Wir freuen uns sehr über solche Angebote, denn das zeigt uns, dass dieses Experiment gewollt ist.

Welche Partizipation hat dir denn dabei am besten gefallen?
Jede Teilhabe hat mich sehr erfreut. Von großem Nutzen waren diverse Foren, z.B. der Joyclub, Stadtrevue oder doch-noch.de, die als gewichtige Multiplikatoren der Sache dienten. Die Kommunikation einer Crowdfunding-Kampagne ist eine zeitaufwendige und manchmal sehr mühselige Sache, da sind solche Unterstützungen sehr wertvoll.

Welche Erfahrungen hast du durch das Crowdfunding-Projekt gesammelt?
Als ich anfänglich über diese Finanzierungsart nachdachte, war mir der Aufwand dessen nicht bewusst. Ich musste immer wieder neu unsere Community stimulieren und zur Handlung bitten. Ich habe bei dieser Kampagne gelernt, dass es wichtig ist mit der Kommunikation schon vor dem Start der Kampagne zu beginnen. Mit einer vorhandenen Community ist die Sache schon etwas leichter.
Unabhängigkeit ist sehr wichtig, denn möchte man seine Community mit einbinden, bedarf es einer guten Präsentation, die Botschaft muss einfach sein und es bedarf Freiräume für die Ideen der Community.

Was sagt eigentlich der Titel eures Projektes aus, warum Häppchenweise? [Maike lacht] Eine eingehende tiefsinnige Überlegung gab es nicht. Erst im Laufe der Zeit entstanden viele Doppeldeutigkeiten. Beim Dreh wird es beispielsweise Vietnamesische Reisröllchen gebe, ein Finger-Food das man häppchenweise zu sich nimmt. Später kamen Überlegen wie “häppchenweise über Sex” oder “häppchenweise Vorgehen” hinzu. Die Schriftart für den Namen stammt übrigens von dem Buch „Feuchtgebiete“, das Charlotte Roche geschrieben hat. Ich bin ein großer Fan von ihr! Schade, dass wir ihre Aufmerksamkeit für uns nicht gewinnen konnten.

Maike, wir danken dir für dieses Interview und wünschen dir viel Spaß und Erfolg bei deinem Dokumentarfilm.

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