Mutige gestalten die Zukunft
Crowdfunding-Queen Amanda Palmer und die “Kunst des Bittens”

Crowdfunding-Queen Amanda Palmer und die “Kunst des Bittens”

Christin Lorenz
22.01.2015
7 min Lesezeit

Vor zweieinhalb Jahren löste die Punk-Rockerin Amanda Palmer mit ihrer Crowdfunding-Kampagne eine Welle der Unterstützung aus. Fast 25.000 Menschen gaben ihr 1,2 Mio. US-Dollar. Wir sind diesem Phänomen einmal auf den Grund gegangen! 

Amanda Palmer in ihrer Kickstarter-Kampagne 

Zweieinhalb Jahre ist es nun her als die exzentrische Vollblut-Musikerin Amanda Palmer den Crowdfunding-Thron im Musikbereich bestieg - bis heute! Mit ihrer Crowdfunding-Kampagne sammelte die gebürtige New Yorkerin 1,2 Mio. US-Dollar ein. Damit übertraf sie ihr persönliches Ziel um mehr als das Zehnfache. Fast 25.000 Menschen unterstützten sie und ihre Band The Grand Theft Orchestra dabei ein Album inklusive Art Book und Tour auf die Beine zu stellen. 

Wir sind dem Crowdfunding-Phänomen Amanda Palmer auf den Grund gegangen und haben uns gefragt, wie eine einzelne Person so eine gewaltige Welle der Unterstützung auslösen konnte. Und stellten fest: Es ist alles eine Sache der Einstellung!

1. “Ich wollte das Gefühl der direkten Verbindung zu den Menschen nicht verlieren”

Amanda Palmer konnte nicht immer von ihrer Musik leben. Noch zu Studienzeiten verdiente sie ihr Geld auf einer weißen Holzkiste als die Zweimeterfünzig-Braut. Tagein, tagaus schenkte sie Passanten, die ihr einen Obulus in ihren Hut warfen, eine Blume und einen von Dank erfüllten Blick. Sie liebte diese Momente, in denen ihr Gegenüber diesen erwiderte und plötzlich eine persönliche Verbindung zwischen ihr und den Unbekannten entstand. Die magischen Momente, in denen die Anonymität einem Gefühl von Intimität wich.

Amanda Palmer als die Zweimeterfünfzig-Braut 


Nach fünf Jahren und mit ihrer ersten Band The Dresden Dolls endlich im Musikgeschäft angekommen, wollte Amanda auch dann nie die direkte Verbindung zu ihren Fans verlieren. Autogramme, Umarmungen und Fan-Gespräche gehörten zu ihren Shows von Anfang an genauso dazu, wie jeder einzelne Song auf ihrer Setlist. Diese gelebte und vor allem geliebte Fannähe ist das Fundament ihrer unverwechselbaren Beziehung zu ihren Anhängern.

2. „Wir erhoben es zur Kunstform, die Leute zur Mithilfe zu bitten“

Exzentrisch, unkonventionell und hemmungslos – Amanda Palmer ist definitiv kein Mauerblümchen. Bestes Beispiel dafür ist wohl die Kickstarter-Party in Berlin, bei der sie sich als nackte Leinwand ihren Unterstützern hingab und ihnen somit ihr Vertrauen bewies.

Amanda Palmer auf der Kickstarter Backer-Party in Berlin 


Beneidenswert unbeschwert geht sie auf Menschen zu und bricht dabei für manch andere Künstler ein schier unüberwindbares Tabu: Menschen einfach um Hilfe zu bitten. Zugegeben, auch Amanda ist dieses beklemmende Gefühl von Scham, Zweifel und sogar der Angst vor der Reaktion des Gegenübers nicht völlig fremd.
Doch nach und nach konnte sie sich von diesen negativen und destruktiven Gedanken befreien und erhob selbstbewusst das „Bitten um Mithilfe“ zu einer eigenen Kunstform.
Jemanden um etwas zu bitten, bedeutet für sie auch Vertrauen schenken und Menschen auf einer persönlichen Ebene begegnen zu können. Amanda ist davon überzeugt, dass genau diese persönliche Verbindung auch der Schlüssel zur freiwilligen Mithilfe ist. Mit dieser Einstellung erhielt sie nicht nur eine überwältigende finanzielle Unterstützung von ihrer Crowd, sondern auch unzählige Angebote für Schlafplätze, Übungsorte, Verpflegung u.v.m. Selbst ortsansässige Künstler unterstützten sie auf ihrer Kickstarter Kampagnen-Tour für Gastauftritte und Bier.

3. „ Das Internet bringt uns (Künstler) wieder zurück“

Facebook, Twitter & Co. - für so manch einen ein Fluch, für Amanda Palmer ein digitaler Segen. „Früher bedeutete prominent sein, dass viele Menschen dich aus der Distanz lieben, aber das Internet bringt uns wieder zurück“. Das Internet macht sie als Künstlerin wieder nahbar. So ist für sie das Bloggen, Mailen und Twittern vor und nach den Shows genauso selbstverständlich wie der Auftritt auf der Bühne selbst. Hierbei geht es ihr nicht darum Tourdaten rauszugeben, sondern ihre Erlebnisse, Erfolge, aber auch Misserfolge und Ängste mit ihren Fans zu teilen. Ohne Frage ein 24/7-Job, den Amanda jedoch nicht missen möchte.

Amanda Palmer beim Crowdsurfing 

4. „Ich liebe diese Art der zufälligen Nähe“

Amanda Palmer ist Vollblut-Rockerin und Menschenfreund. Sie liebt es einfach auf der Bühne zu stehen und lässt dabei keine Gelegenheit aus, dieser Leidenschaft auch nachzugehen. Über Twitter fragte sie einfach nach Auftrittsmöglichkeiten, wenn sie Lust auf einen freien Spontan-Gig hatte. So spielte Amanda nicht nur in Bars und Clubs, sondern auch an ungewöhnlichen Orten, wie Geschäften, Museen oder Bibliotheken. Auch dort knüpfte sie zahlreiche Kontakte, die sich in ihrem Erfolg als Künstlerin und Crowdfunding-Pionierin eindrucksvoll widerspiegelten.

Amanda Palmer bei einem Spontan-Gig in einer Bibliothek 

5. „Wie lassen wir es zu, dass Menschen für Musik bezahlen?“

Auch in Amanda Palmer’s Karriere gibt es nicht nur Höhenflüge. Bei einem großen Plattenlabel unter Vertrag verkaufte sie 25.000 Alben in den ersten Wochen der Veröffentlichung. Für Amanda war es ein großer Erfolg, für die Plattenfirma jedoch ein totaler Flop. Prompt haben sie sich von der Band getrennt. Nahezu zeitgleich kam nach einem Auftritt ein Mann auf sie zu, der beschämt sagte „Es tut mir Leid, ich habe die CD von einem Freund kopiert“ und reichte ihr einen 10-Dollar-Schein. Genau in diesem Moment beschloss sie, ihre Musik frei rauszugeben und ihre Fans sogar zum Downloaden, Kopieren und Teilen ihrer Songs zu ermutigen. Im Gegenzug bat sie um deren Hilfe und das mit verblüffender Resonanz. Sie wurde selbst zum Hut. Sie musste nur dastehen und die Hilfe dankend annehmen. So wie früher als die Zweimeterfünfzig-Braut. Anstatt die Leute zum Kauf von Musik zu zwingen, ließ sie es einfach zu, dass sie für sie bezahlten.

Amanda Palmer ist ein Freigeist, der sich bedingungslos den Menschen anvertraute. Genau dafür wurde sie von ihren Fans reich beschenkt, in einer Zeit als sie es am meisten brauchte - zu ihrer Crowdfunding-Kampagne:  „Ich ließ mich in die tausend geknüpften Verbindungen fallen und bat meine Crowd mich aufzufangen.“ Und sie taten es!

Diese Erfolgsgeschichte ist sicherlich keine allgemeingültige Formel, die sich einfach auf jeden anderen Künstler übertragen lässt. Vielmehr soll sie dazu inspirieren und ermutigen, seine Träume nie aus den Augen zu lassen, dafür zu kämpfen und sich dabei selbst immer treu zu bleiben.

Hier kannst du dir den inspirierende TED Talk "The Art of Asking" mit Amanda Palmer selbst anschauen.
Eine Version mit deutschen Untertitel findest du hier .


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