Die titelgebende Konferenz findet 1963 auf Schloss Liblice in der Tschechoslowakei statt. Dort debattieren Referent*innen aus Warschauer–Pakt–Ländern, aber auch aus Österreich und Frankreich, über unterschiedliche Deutungen von Franz Kafkas Werk aus marxistischer Sicht. Viele von ihnen fordern, Kafka auch in den kommunistischen Ländern zu publizieren, wo er bisher verpönt war. Diese Forderung wird verknüpft mit einer allgemeinen Kritik nicht nur an der Kulturpolitik, sondern auch am Stalinismus und seinen Überbleibseln. Die von Kafka beschriebene Entfremdung gebe es auch noch im Sozialismus und sie habe im Stalinismus sogar erschreckende Ausmaße angenommen.
Eduard Goldstücker, einer der Organisatoren der Konferenz, hat das am eigenen Leibe erfahren. In den 50er Jahren, als er Botschafter in Israel ist, wird er Opfer der von Antisemitismus geprägten Slánský– Prozesse. Er gehört zu den wenigen, die nicht hingerichtet und die später rehabilitiert werden.
Für die Tschechoslowakei deutet die Kafka–Konferenz den Beginn der Liberalisierung an. 1968, also fünf Jahre später, erreicht diese ihren Höhepunkt. Alexander Dubček, der neue Erste Vorsitzende der Kommunistischen Partei, und andere Reformer*innen setzen sich für einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ ein. Eduard Goldstücker wird Vorsitzender des Schriftstellerverbandes.
Die Schriftsteller*innen stellen eine wichtige Säule des Reformprozesses dar. Nach Aufhebung der Zensur werden die vom Verband herausgegebenen „Literární listy“ („Literaturblätter“) zu einem der wichtigsten Sprachrohre für neue Ideen.
Die Meinungsvielfalt nimmt ein Ausmaß an, das auf die Sowjetunion und andere sozialistische „Brüderländer“ erschreckend wirkt. Außerdem sehen die Sowjets ihren Einfuss gefährdet. Nach etlichen gescheiterten Einschüchterungsversuchen führt dies schließlich zum Einmarsch einiger Warschauer–Pakt– Staaten in die Tschechoslowakei, in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968. Angeblich soll eine „Konterrevolution“ verhindert werden. Die Kafka–Konferenz wird rückblickend zu deren Vorreiter erklärt.
Auch einige Nebenhandlungen wie ein geplantes Kafka-Drehbuch, das Miloš Forman und (der spätere Präsident Tschechiens) Václav Havel 1960 planten, tauchen im Film auf.
Und schließlich spannen wir auch einen Bogen zu aktuellen Protestbewegungen, wie sie in der Slowakei durch die Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und in Tschechien durch die Korruptionsvorwürfe gegen den Ministerpräsidenten Andrej Babiš ausgelöst wurden.
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Ein paar Beispiele für die von uns geführten Interviews findet ihr hier: https://vimeo.com/377615869/d584e65258
Wer noch weitere Ausschnitte aus dem Projekt sehen will, hat vom 12. - 15.12. bei der Ausstellung "Examen 2019" in der documenta-Halle in Kassel die Gelegenheit dazu.