Mutige gestalten die Zukunft
Crowdfunding - Ein Werkzeug für Musiker und Bands
Startnext News

Crowdfunding - Ein Werkzeug für Musiker und Bands

08.08.2014
6 min Lesezeit

Musik war einer der ersten kulturellen Bereiche, in denen Crowdfunding erfolgreich eingesetzt wurde. Von frühen Crowdfunding-Aktionen in Deutschland wie die „Angelika Aktie“ von der Rockband Angelika Express bis hin zu den international bekannten Aktionen von Amanda Palmer, die bei ihrer Crowdfunding-Kampagne knapp 1,2 Millionen Dollar für ihr Album und ihre Tour einsammeln konnte, haben bis heute viele Musiker über diesen Weg ihre Kunst finanziert.

Crowdfunding und Musik

Durch den Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist Crowdfunding auch offiziell an oberster politischer Stelle angekommen und wird als Werkzeug sowohl im Kultur- und Kreativbereich als auch immer stärker im Wirtschaftsbereich politisch gefördert und in bestehende Fördermethoden und -prozesse eingebunden. In dieser aktuellen Aufbruchstimmung liegt eine große Chance für eine erfolgreiche Finanzierung von Kunst und Kultur durch die Bürger. Es besteht jedoch auch das Risiko, dass durch eine unbedachte und überstürzte Einbindung in die verschiedenen Alltagskulturen und Geschäftsbedingungen der jeweiligen Kulturbetriebe negative Erfahrungen passieren können.

Crowdfunding aus der Sicht der Politik

Das Finanzierungsmodell Crowdfunding ist ursprünglich in den USA entstanden. Die breite Förderung von Kunst und Kultur durch Bürger (aka Fans) hat auch in Europa eine lange, wenn auch andersgeartete Geschichte. Die große Herausforderung der Einbettung von Crowdfunding in bestehende Prozesse der Kulturförderung ist eine Aufgabe, die nicht von einzelnen Musikern oder Bands alleine geleistet werden kann. Die Unterstützung von Labels, Musikmanagern und Akteuren aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen ist dabei ein wichtiger Bestandteil.

Städte wie Berlin, Hamburg und Dresden unterstützen die lokale Kulturszene mit regional-fokussierten Crowdfunding-Plattformen und -Dienstleistungen. Viele Stiftungen entdecken Crowdfunding als Möglichkeit, ihre eigenen Kulturförderungen stärker mit den teilnehmenden Bürgern zu verschränken. Die Frankfurter Aventis Foundation führte mit der Plattform Startnext das Cofunding-Projekt „kulturMut“ durch, bei dem erstmalig Crowdfunding mit Stiftungsförderung (200.000 Euro) kombiniert wurde. Auf diesem Weg konnten 2.900 Bürger mobilisiert und damit 17 Projekte von kleinen und großen Kulturinstitutionen erfolgreich finanziert werden.

Crowdfunding etabliert sich

Etablierte Plattformen erreichen in ihren Ursprungsländern neue Rekordzahlen. Kickstarter knackte vor einigen Wochen die Marke von einer Milliarde Dollar mit über 66.000 geförderten Projekten (Musikbereich: über 16.000 Projekte). Startnext als führende deutsche Crowdfunding-Plattform im Kultur- und Kreativbereich hat ebenfalls die 12-Millionen-Euro- Marke mit über 1.800 finanzierten Projekten überschritten (Musikbereich: über 750 Projekte).

Aktuelle Projekte bekannter Künstler erreichen Summen, mit denen professionell gearbeitet werden kann. Thomas Godojs fünftes Album wurde  mit 158 000 Euro gecrowdfundet, die Killerpilze sammelten für die Produktion ihres aktuellen Albums 75 000 Euro ein, PeterLicht hat für ein von seiner Plattenfirma nicht unterstütztes Live-Album zusätzliche 26.000 Euro von Fans und Unterstützern akquiriert. Auch viele Nachwuchsmusiker erhalten vierstellige Beträge, mit denen sie ihre Musikleidenschaft professionalisieren können. Die Grundprinzipien einer potenziell erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne werden in den unterschiedlichsten Bereichen und besonders in der Kreativszene immer bekannter. Bereits etablierte Plattformen bieten fast täglich Seminare und Hilfestellungen für Interessierte an.

Quo vadis Crowdfunding?

Während nun der Bekanntheitsgrad von Crowdfunding auch in Kultureinrichtungen wie z. B. Theatern, Archiven und Museen durch erste Pionierprojekte steigt, entwickelt sich in den Bereichen Musik und Film eine neue Perspektive. Es stellt sich die Frage, ob und wie das Werkzeug Crowdfunding zukünftig strategischer und weniger punktuell eingebunden werden kann, um möglichst viele Beteiligte in der Musikbranche bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Verschiedene Plattformen bieten „Unterplattformen“ an, auf denen z. B. Label oder Verlage ihre Crowdfunding-Projekte gesammelt einstellen und betreuen können. Dabei sind sie dennoch optional in die größere Community der Plattform eingebunden. Neben vielen Dienstleistungen bei Marketing-, Recht- und monetären Abwicklungsaspekten des Crowdfundings, entstehen so Synergie-Effekte, die eine größtmögliche Eigenständigkeit bei gleichzeitig reduziertem Investitionsrisiko im Vergleich zum Aufbau einer eigenen Plattform bieten.

Welche Vorteile ergeben sich für Musikunternehmen, wenn sie Crowdfunding systematisch in ihre Produktionsprozesse einbinden? Im Mittelpunkt steht sicherlich die frühzeitige Einbeziehung von bestehenden und potenziellen Fankreisen. Die Bereitschaft von Fans und anderen Interessierten, in eine Band zu investieren, die eine professionelle Crowdfunding-Kampagne betreibt, eröffnet den Labels eine neue Sichtweise auf „Artists & Repertoire“ sowie Marketing. Eine frühzeitige Einbindung der Crowd führt auch nicht zwangsläufig zu einer Einschränkung der Musikstile im Sinne einer „Die Crowd sucht den Superstar-Methode“. Gerade in Nischenbereichen stellt die frühe Einbindung der Fans eine wichtige Unterstützung dar, die weniger bekannten Musikern und Bands eine Chance bietet, die sich das Label alleine nicht oder nur mit zu großem Risiko leisten könnte.

Die strategische Bedeutung für Musikunternehmen

Die Perspektive einer systemischen Einbindung von Crowdfunding sollte als realistisches Szenario angesehen werden, auch wenn derzeit noch jedes Projekt als Pionierleistung wahrgenommen wird. Das Scheitern ist immer auch eine Chance. Besonders im Musikbereich ist die Bereitschaft groß, eigene Musik, von der man überzeugt ist, zu veröffentlichen und ein mögliches Scheitern als Teil des Lebens zu akzeptieren. Etablierte Crowdfunding-Plattformen in Deutschland haben derzeit Erfolgsquoten von 60 bis 72 Prozent – im Bereich der Musik liegt diese Quote oft noch ein paar Prozent höher. Die Musiker, die authentisch und mit Leidenschaft hinter ihren Projekten stehen, sind auch oft diejenigen, die am überzeugendsten auftreten und so auch bei ihren Crowdfunding-Kampagnen erfolgreich sind. Crowdfunding ist im Bereich der Musik heute keine neue Methode mehr, deren Erfolgswahrscheinlichkeit schwer einzuschätzen ist.

Die neue Herausforderung in der Musikbranche ist der Prozess der Normalisierung. Crowdfunding verliert Stück für Stück seinen Pioniercharakter. Dieser Wechsel von der „exotischen“ Finanzierungsmöglichkeit zum „normalen“ Werkzeug für Finanzierung von kulturellem und kreativem Schaffen wird in den verschiedenen Kulturbereichen zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschehen. Die Frage, die sich für Musikmanager, Labels und ähnliche Bereiche im Musikbusiness stellt, ist nun, wann der Zeitpunkt der Veränderung beginnt und wie man damit sinnvoll umgehen kann. Das Werkzeug von Crowdfunding sollte dabei zum eigenen Arbeitsrepertoire gehören. Bei der Reflexion der eigenen Situation ist es sinnvoll, das Gespräch mit erfahrenen Crowdfunding-Beratern oder direkt mit den Plattformen zu suchen. Gerade im deutschen Markt ist im Crowdfunding-Bereich bereits bei einigen Plattformen und Beratern eine Verbindung zum Kultur- und Kreativgeschäft vorhanden.

Der Artikel von Jens Best wurde zuerst veröffentlicht in: Musikforum, 2/14. S.28-28. (die Zahlen wurden aktualisiert, Stand: 01.08.2014)

Mehr zu lesen

Teilen
Crowdfunding - Ein Werkzeug für Musiker und Bands
www.startnext.com
Facebook
X
WhatsApp
LinkedIn
Xing
Link kopieren